Freitag, 4. Oktober 2013
eigenbrötlerinnen unter sich
feiertagsnachmittägliches treffen mit meiner freundin h. in der schanze.
"und, was machen die männer?" fragt mich h. und erwartet turbulente stories wie immer.
ich berichte von meinem letzten langweiligen beziehungsversuch.
"wir hatten schon spaß, irgendwie... wenn wir so zusammensaßen wie wir beide hier. der war theoretisch schon sehr okay. aber so der rest, weißte? dieses akademische geschwaller und dieses permanente rekurrieren auf seinen bildungshintergrund... und dazu dann diese undifferenzierte weltanschauung..."
"das sind schon faktoren, die viel kaputt machen können", findet h.
"ausschlagebend war aber der miese sex."
h. kichert sich einen.
"wie jetzt genau?"
"der war weder pervers noch hatte er potenzprobleme oder so... der hatte einen wunderschönen, großen schwanz. aber damit wusste der nicht viel anzufangen. und auch sonst... sehr romantisch. übertrieben romantisch..."
"kitschig", vollendet h. meine überlegung.
"er stand auf vollmond und liebte spaziergänge in der hafencity!"
"uh, hafencity, dieses tote betonviertel?!"
"ich dachte auch immer, das finden nur schwerreiche senioren mit akuter geschmacksverirrung gut."

wir nuckeln an unseren überteuerten handgepflückten bio-tees.
"und was hast du so gemacht?" frage ich.
"och, nix mit männern", sagt h.
"nicht? aber brauchst du keinen sex?"
"ich hab mich mal bei so einer datingplattform angemeldet. aber da war nix dabei."
"sowas mach ich nur für onenightstands."
"ich mag das nicht."
"mir ist das lieber als so ein sophisticated idiot, der mich durch die hafencity schleift."
h. muss schon wieder kichern.
"deshalb liebe ich die gespräche mit dir so."
"gestern hab ich voll das schöne kompliment von der lederjacke bekommen. dass ich eine der intelligentesten und unterhaltsamsten frauen für ihn bin."
"warum biste denn eigentlich nicht mit dem zusammen?"
"der ist bekennender gefühlslegasteniker."
"wie äußert sich das?"
"perfektionismus, hygienefimmel, allgemeine unterkühltheit und unentspannter sex. also wenn er nüchtern ist. gevögelt haben wir daher immer nur besoffen."
"das klingt ja furchtbar."
"neeeeeiiiin. der ist mir tausendmal lieber als neue mann es war. die lederjacke ist fein. klug. lustig. lieb. subversiv. und loyal. sehr sogar. und sie riecht so gut."
"und sieht gut aus."
ich grinse und nicke.

"hast du noch kontakt zum objekt", fragt h.
"ja."
"ja leider oder ja zum glück?"
"beides. ach naja. eigentlich verstehen wir uns wieder ganz gut."
"aber da ist nichts mehr?"
"doch, samstag vor einer woche haben wir geknutscht."
"warst du da noch mit dem anderen zusammen?"
"nee, ich hab mich, kurz bevor ich zur party gefahren bin, noch schnell getrennt."
h. lacht laut.
"typisch du."
"ich bin eben pragmatisch. so musste ich mir nicht vorwerfen, dass ich ihn betrogen habe."
"ach komm, so oder so, du hättet dir sowieso keine vorwürfe gemacht."
"naja, stimmt. moral ist nur was für die, die sich das leisten können."
und wir lachen.

"ich finde es schade, dass sich unser club-freundeskreis so zerschlagen hat", sagt h. "das war mal so schön."
"ja. aber man kann ja auch nicht immer in club rennen. bald sind wir eh zu alt."
"ja. ich mach jetzt auch viel mehr so für mich", sagt h.
"was denn so?"
"ich geh viel schwimmen..."
"ich auch!"
"schwimmen ist super."
"schwimmen ist oberklasse! und sonst?"
"ich habe mal überlegt, einen spieleabend zu organisieren", sagt h. nachdenklich.
ich verziehe das gesicht:
"vorher veranstalten wir aber eine tupper-party. oder einen kollektiven häkel-abend, bei dem wir uns so alberne toilettenpapiermützchen machen."
"du würdest da echt nicht mitspielen", fragt h. ein bisschen enttäuscht."
"naja, meinetwegen", sage ich, "aber dann bitte strippoker."
"geht klar", sagt h.

als wir ausgetrunken und gezahlt haben, schlendern wir noch ein wenig umher.
"was machen eigentlich deine jungs", frage ich h., die chinchillas hat.
"die werden alt. der eine kommt gar nicht mehr aus dem käfig, wenn ich die rauslassen will. der ist total faul geworden."
"meine katze ist auch faul."
"siehste, wir werden eben alle alt."
"und wählerisch und nörgelig."
"und eigenbrötlerisch."
"ich weiß nicht, ich finde das ja gut, dass man irgendwann keine kompromisse mehr macht."
"macht aber auch einsam", erwidert h.
"bist du einsam?"
"manchmal", gibt h. zu.
"ich bin happy mit mir selbst. also zumindest zur zeit. ich kann mir das gar nicht mehr vorstellen, mit einem typen zusammen zu sein."
"außer mit dem objekt", stichelt h.
"ausnahmen bestätigen die regel", kontere ich. "und ein bisschen träumen ist ja erlaubt."
"mir wäre der zu chaotisch. und der ist auch echt strange."
"er ist chaotisch und strange. aber genau das finde ich ja so spannend an ihm. vielleicht, weil ich immer so arschlangweilige saubermänner hatte."
"ich hab anfangs immer gedacht, der färbt sich die haare so rot."
ich kichere.
"nee, der ist so wie gott ihn schuf. ab und an mal wimperntusche, das ist alles."
"hässlich ist er ja nicht", sagt h. nachdenklich.
"nein, leider."

an der sternbrücke trennen wir uns. h. wohnt um die ecke, ich will noch in den schanzenmarkt.
"bis bald", sagt h. und drückt mich.
"bleib sauber und streichle deine katze von mir."
"grüß die jungs... und dann bis zu unserer tupper-strip-party", sage ich.
dann ziehen wir unserer wege, eigenbrötlerinnen, die wir sind.

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