Sonntag, 2. Juni 2013
spätnachts bis spätfrüh
gestern überrollt mich akute objektsehnsucht und hollywood-farbfilme von unseren guten zeiten spuken durch meinen kopf wie scheinheilige nachtgespenster. also tue ich das, was ich schon ewig tun wollte, nämlich alles einmal aufschreiben. die nachtgespenster an ihren langen kutten packen und zusammentackern, auf papier bannen und ordentlich abheften.

dann ist es zwei, ich bin unruhig und irgendwo zwischen zuhausebleiben und exzessiv feiern. ich entscheide mich nach einer dusche für letzteres. gegen drei bin ich im club, wo tote hose herrscht. der architekt ist da, mein bekannter und zwei weitere nasen, die ich kenne. wir treffen uns an der bar und haben schlechte laune wegen der miesen party. in der ecke entdecke ich meinen freund t., der mal wieder heiß aussieht und unheimlich gut in form ist, weil er ähnlich wie das objekt verdammt geile gene hat, die aber im fitnessstudio auch noch alle zu entfaltung bringt.

t. winkt mir, dann sitzen wir still nebeneinander, rauchen und nippen an unseren drinks und schweigen, ich, weil ich mir seinen schrägen bauchmuskel vorstelle, t., weil er auf das nächste gute lied hofft, das nicht kommt. irgendwann erzählt er mir von goa-parties, auf denen er war und experimenten mit mdma und pilzen, dann spinnen wir rum und malen uns aus, dass wir ja auch eine goa-party machen könnten, natürlich eine zünftige mit entsprechenden substanzen und entsprechenden djs und das alles an einem entsprechenden ort, wahlweise im südddeutschen oder in brandenburg. dann stört uns mein bekannter, der ankündigt, das er jetzt die location wechseln werde und ob wir nicht mitkommen wollten. t. schüttelt den kopf und lehnt dankend ab mit dem argument, dass er da noch nie war. ich starre t. an, erinnere mich plötzlich, dass er ja schon mitte 40 ist und dass leute mitte 40 oft bremsen und zaudern und nur theoretisch begeisterungsfähig sind. also sage ich dem bekannten zu, obwohl ich gerne noch ein bisschen neben t. gesessen hätte.

eine viertelstunde später schlagen wir in der anderen location auf. ich gehe als erste rein und frage den türsteher, ob wir jetzt, nach vier, noch eintritt bezahlen müssten. ich werde kulant durchgewinkt, mit dem hinweis, die party sei sowieso um fünf aus.
"um fünf?!" falle ich aus allen wolken.
"um fünf?" echot mein bekannter, der sich hinter mir richtung garderobe durchschieben will.
party bis um fünf, das gibt es höchstens noch in meiner exheimat. zusammen schimpfen wir auf die untergehende hamburger partykultur, dann gibt es erstmal einen willkommensdrink.

wir checken die beiden areas, die noch ganz voll sind. ich treffe den künstler, den besten freund des architekten. er ist sehr betrunken und kommt mir ganz nah. der künstler ist hübsch, und das weiß er, wir haben vor etwa einem jahr einmal geknutscht, aber er ist auch verheiratet mit einer frau aus bangladesh, die auch fast immer irgendwo in bangladesh ist, während der künstler kunst macht, in deutschland, schweden, russland und den usa, und dabei tatsächlich richtig kohle verdient.

20 nach fünf ist immer noch keine spur von einem ende der party zu spüren. die barfrau aus dem club ist inzwischen auch rübergewechselt und räkelt sich im tiger-dress auf dem sofa. ich gucke ein bisschen, sie ist eine der schönsten frauen, die ich kenne, und sie winkt mir zu. die musik ist durchgehend gut, sie spielen sogar gary numan und andere stars aus meiner gelungenen musikalischen sozialisation. ich merke, dass ich happy bin. der bekannte schleicht sich an, küsst meinen nacken und zieht mich dann auf die tanzfläche, wo wir uns an einem tango zu eletromukke versuchen, was natürlich in grenzenlose alberei ausartet.

"warum sind wir eigentlich nicht zusammen?" fragt der bekannte. "wenn ich mich recht entsinne, wollten wir doch mal heiraten."
"das geht nicht, du bist arm und meine eltern akzeptieren nur reiche schnösel."
"siehst du, bei mir ist das entspannt, meine eltern sind tot... obwohl die nett waren."
"meine sind auch nett, aber die haben eben auch nen knall."
"na irgendwoher muss deiner ja auch kommen!"

wir lachen. obwohl ich betrunken bin, ordere ich noch einen wodka energy. dann setze ich mich auf eine der holzschaukeln neben der tanzfläche und lasse mich vor- und zurückschwingen, bis die welt verschwimmt.

mitten im schönsten rausch tippt mir jemand auf die schulter. es ist der türsteher.
"wir schließen", sagt er, "holst du bitte deine jacke von der garderobe?"
"wie spät ist es denn?" frage ich.
der türsteher zeigt mir seine uhr. kurz vor sieben.
"waaaaaaaaaaaaaas?"

ich und der bekannte sind die letzten im club. ich erinnere mich, dass sich der rest bereits verabschiedet hatte.
"boah", sage ich, als wir auf der straße stehen. "ist das scheißehell."
"ja, mann, gottseidank! es ist ja auch sommer!" wirft der bekannte ein.
ich werde zum abschied geknuddelt und geherzt.
"ich mag dich so gern", sagt der bekannte.
"ich mag dich auch."
"lass uns doch mal wieder was zusammen machen. unsere exkursion in planten un blomen war doch lustig."
"absolut."
ich schwanke.
"du kannst doch nicht mehr radfahren."
"wird schwierig, aber ich seh ja so seriös aus. mich lassen die bullen schon in ruhe."
"ich meinte jetzt auch mehr, dass du so vielleicht einen unfall baust!"
"ich nehm den bus, wenn ich merke, dass es nicht mehr geht, okay vaddi?"

dann schwinge ich mich in den sattel und fahre los. mein kopf hängt gefühlt auf höhe der baumkronen, während meine beine sehr, sehr stark unter der erdanziehungskraft leiden. für einen moment fällt mir ein, dass man davon ja krampfadern kriegen könnte, aber dann legen sich wieder lauter angenehme gedanken über meine sorgen, die anhalten, bis ich an der klinik vorbeifahre, wo mein herz nochmal geschreddert wird.

zuhause empfängt mich die dicke katze, die seit gestern ein wenig relaxter ist, was mich selbst ungemein entspannt. ich mache musik an, bei der die katze ganz viel blinzeln muss, dann kuschle ich mich in mein bett und bin weg, im land der träume, wo mich diesmal kein objekt belauert.

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