Sonntag, 20. November 2011
hughs and kisses
"ich hab mir was vorgenommen", sagt das objekt am heutigen abend. "wenn ich erstmal wieder eine eigene wohnung habe, dann möchte ich, dass wir uns regelmäßig besuchen. du musst mir dann vorlesen, und ich koche uns was hübsches."
"ich habe bisweilen nicht den eindruck, dass du so furchtbar viel an mich denkst", antworte ich, obwohl mir diese drei sätze ein inneres lächeln entlocken.
"ich denk total viel an dich", sagt das objekt zögerlich. "ich lebe in retrospektiven mit dir. ich hab so viel schönes mit dir und eigentlich nichts wirklich schlechtes. und da versink ich dann so drin, da kriege ich manchmal gar nicht mit, was um mich herum passiert."
"aha", sage ich.
das objekt hat ganz offenbar mehr erwartet als dieses "aha", merke ich. also gönne ich ihm den spaß und füge hinzu:
"ich dachte immer, ich sei die einzige auf der welt, die das so handhabt."

das objekt muss der aussage nachlauschen, bis es dann glücklich grinst, mich auf die stirn küsst und mich drückt.
"morphine, warum bist du heute abend in den club gekommen?"
"aus gewohnheit und weil ich tanzen wollte."
"ich bin heute hier, weil ich gern jemanden eins in die fresse hauen und einen blowjob will."
ich muss lachen.
"soll ich dir eine scheuern? dann hast du die prügelei schon mal."
das objekt zieht mich an sich und hält meine handgelenke fest:
"ich wüsste da was besseres. denn einen blowjob hatte ich ja eigentlich schon lange nicht mehr."
"naja, du kannst dich ja mal umsehen. guck mal, die blonde da vorn, mit den lippen kann die bestimmt gut blasen."
das objekt schaut interessiert in die gezeigte richtung und tippt sich dann an die stirn.
"die ist doch dumm wie brot, das sieht man doch."
"eben. dumm fickt gut."
"so schlecht fand ich deine intellektuellenficks nun auch nicht", frotzelt das objekt.

wir stehen beide da und haben fluppen im mund, aber kein feuer. plötzlich streckt sich von der seite ein in leder gekleideter arm aus. die hand, die das feuerzeug hält, trägt einen selten schönen herrenring. ich blicke kurz hoch in eine jungenhaftes, süßes gesicht, das mich spontan an das subjekt vom letzten sommer erinnert.
"danke", sage ich.
das objekt hat inzwischen sein feuerzeug gefunden.
"na, wer hat den größeren", fragt es und posiert vor mir.
das objekt riecht sofort, wenn gefahr in verzug ist. ich merke sowas erst, wenn das haus schon brennt.

ich verkrümle mich auf die tanzfläche. dort ist es warm und voll. mir wird schwindelig. also kaufe ich mir ein wasser und setze mich an den rand, bis es wieder geht.
ein paar meter entfernt steht die lederjacke und guckt mich an. hatte das objekt also doch mal wieder recht.
kurz darauf kommt er dann rüber zu mir, guckt und lächelt und sagt nichts.
also erbarme ich mich und beginne mit dem smalltalk. ein bisschen blubbern. das lockert die atmosphäre.

es geht sich gut an. der typ ist hübsch, smart und astrein in schale. er ist mit freunden da. also auch kein übriggebliebener soziopath.
ich lache und rede, bis der typ irgendwann meint:
"du redest ganz schon viel."
das finde ich frech.
im nächsten moment wird ihm klar, was er gesagt hat und entschuldigt sich.
dann gehen wir tanzen.
er tanzt mich an, aber unaufdringlich. ich glaube, ich mag das, denke ich und fühle mich im eigenbröteln angenehm gestört.
es ist etwas festes an ihm, obwohl er ein ganz weiches, hüsches, fast schon feminines gesicht hat. ich schätze ihn spontan für sexuell dominant ein, obwohl er beim tanzen nicht besonders körperbewusst ist.

zwischendurch kommt das objekt vorbei und scherzt:
"du sagst bescheid, wenn ich ihm in die fresse hauen soll."
"nein, nein, alles fein."
"dann befreie ich dich heute mal von deinem auftrag."
"welchem?"
"na dem blowjob", grinst das objekt.
"wenn du gestattest", sage ich ironisch.
"hör mal, du brauchst denk ich jemanden, der zu dir steht und der nur für dich da ist. vielleicht ist das so einer. der macht einen guten eindruck auf mich."
"danke, papi."
"dafür nicht. musst auch nichts bezahlen", tätschelt das objekt meine schulter.

die lederjacke scheint ernsthaft fasziniert. sie weicht den rest des abends nicht von meiner seite und fragt dann sogar nach meiner telefonnummer. ich bin beeindruckt.
dann gehen die lichter an und wir stehen uns gegenüber.
"ja, dann, hat mich gefreut, machs mal gut und wir sehen uns", sage ich fröhlich.
"wo musst du denn nun hin", fragt die lederjacke.
"zum bus."
"hast du was dagegen, wenn ich dich noch ein stück bringe?"
holla die waldfee. manieren hat er auch noch!

wir tappen fast eine viertelstunde nebeneinander her und unterhalten uns. dann stehen wir unter einer unterführung. und während die feuchtigkeit in die pfützen um uns tropft und die s-bahn über unseren köpfen vorbeidonnert, küsst mich der mann.

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