Mittwoch, 21. April 2010
meine kriminellen machenschaften
gestern, als ich aus dem büro kam, fand ich in meinem briefkasten eine benachrichtigung der deutschen post vor. ein einschreiben warte in der filiale auf mich. ich dachte mir zunächst nichts schlimmes und stopfte den blauen schein in meine tasche, damit ich morgen, also heute, nicht bei der post stehe und mal wieder keinen abholschein dabei habe.

doch nachdem ich minuten später die lähmende postbüronale stumpfheit abgeschüttelt hatte, drängte sich die folgende frage auf: moment mal! wer um himmels willen schickt mir ein einschreiben? und überhaupt, was bedeutet das eigentlich, so ein einschreiben? ich selbst hatte schon mal ein solches verschickt, nämlich eine drohung an meinen unliebsamen exvermieter, der versucht hatte, mich um 1600 € zu prellen. ich überlegte: hätte jemand einen grund, mir zu drohen?

jetzt denk doch mal logisch, mensch, forderte ich mich auf. niemand droht dir! also wer könnte dir mit einem FREUNDLICHEN ansinnen ein einschreiben schicken? mein bankberater fiel mir ein. vielleicht hatten meine anderthalb aktien ja mal wieder einen sagenhaften kursgewinn von 50 euro abgeworfen? anderseits: der hätte doch auch einfach anrufen können. tat er doch sonst auch. egal. ich wollte klarheit schaffen, griff zum hörer und rief in meiner bank an. mein berater hatte schon feierabend, aber ich scheuchte die assistentin durch das büro und die computerablage. "nichts. sie haben kein einschreiben von uns erhalten." die assistentin war außer atem vor lauter eifer, ich hingegen eher beunruhigt.

ich fragte die herren google. wann kriegt man ein einschreiben? bei einer kündigung, sagte google als erstes. meine miete hatte ich aber brav bezahlt und haha, kündigen konnte ich mir nur noch selber, rein theoretisch, also fiel diese möglichkeit flach. die zweite option ließ meine alarmglocken schrillen: eine inkassoforderung wird manchmal auch per einschreiben versendet. ich durchforstete alte rechnungen. schuhe, bücher, bürokram. es war alles bezahlt. halt, außer der gez. die hatte ich erst neulich mal wieder abgewimmelt - eine schlacht, die man immer wieder aufs neue führt, wenn man sich beim einwohnermeldeamt registieren lässt (ein grund, warum ich möglichst nirgends gemeldet bin).

und weil es vom namen her so nahe lag, fiel mir auch gleich die gema ein. klar, es könnte ja ein gerichtliches einschreiben sein wegen piraterie. wildes herzklopfen. allerdings wusste ich, dass man anhand einer ip-adresse keine postanschrift ausfindig machen konnte. und überhaupt: machte das sinn? bei mir? die ich keinerlei filesharing im engeren sinne betrieb und damit sicherlich eine amöbe im haifischbecken war?
ich googlete noch ein wenig weiter und stieß auf ein forum, wo jemand schrieb, er habe wegen des downloads eines liedes 1.000 € zahlen müssen. ich war eigentlich davon ausgegangen, dass so etwas unter geringfügigkeit fiel.

inzwischen war es sehr spät. ich vermutete, ich würde ohnehin nicht schlafen können, ging aber prophylaktisch mal zu bett. dort döste ich rekonvaleszenzbedingt rasch ein. mitten in der nacht schreckte ich auf, denn mir war noch etwas fürchterliches eingefallen. ich setzte mich an den rechner und googlete nach "wann verjähren drogendelikte". ich suchte nach alle drogenvergehen, mit denen ich potenziell in zusammenhang gebracht werden könnte. das ergebnis für die jüngste zeit war mickrig, hatte ich doch im norden bisher ein vergleichsweise tadelloses leben geführt. hey, und überhaupt, was war denn mit eigenbedarf? bei einer hausdurchsuchung würden meine enormen opiatvorräte allerdings ein schlechtes licht auf mich werfen. hm.

ich lag wach und wartete, dass es neun uhr wurde und ich zur post gehnen könnte. dort würde ich erst einmal schauen, wer der absender des ominösen einschreibens ist und dann könnte ich frei entscheiden, ob ich es überhaupt annehmen möchte. gedacht, getan.

pünktlich um neun stand ich am schalter. ich fragte den graumelierten herrn mit den nikotinflecken an den händen:
"muss man ein einschreiben eigentlich annehmen?"
"najaaaa... also wenn es eine zahlungsaufforderung ist, dann müssen sie bedenken, dass mit der abgabe des einschreibens in der filiale unter umständen ihre zahlungsfrist zu laufen beginnt. das könnte sie in schwierigkeiten bringen."
"ja GLAUBEN sie denn, dass es eine zahlungsaufforderung ist?!"
"viele einschreiben sind zahlungsaufforderungen, aber ich schlage vor, sie sehen sich das erstmal an, bevor sie entscheiden,hm?"
der postbeamte ging schmunzelnd ins lager und brachte dann einen weißen, gepolsterten brief zum vorschein. als er ihn auf den tresen legte, sah ich ein grünes babberl: zoll frankfurt/main. wer zum teufel schickte mir etwas, das durch den zoll musste? mein herz klopfte wild. ich riss den umschlag auf. drin befand sich ein buch, das ich vor einiger zeit bestellt hatte.
"na, isses was schlimmes?" schmunzelte der beamte und blickte auf das buch, einen amerikanischen psychoschinken, der mir interessanterweise aus hongkong zuschickt worden war und deshalb wohl durch den zoll gegangen war.
"nein."
"na, dann ist ja gut."
ich blätterte durch die seiten, ob irgendwo ein päckchen koks und schreiben vom zoll versteckt waren, auf dem dann stand, dass ich mich unverzüglich ins gefängnis zu begeben hätte und dabei nicht über los gehen und 4000 dm einsacken dürfe. niete. nada. puh!

aber interessant, wie viele vergehen einem so einfallen, die man begangen haben könnte, wenn man einfach nur ein einschreiben abholen soll.

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