Montag, 1. September 2008
aggrobetteln
der tag begann mit gewitter. dann regen. viel besseres kam auch nicht mehr nach.

stehe ich an der u-bahn und löse ein ticket für vier stationen, lächerlich eigentlich, aber man wird ja älter und da machen die nerven nicht mehr mit, die toleranzgrenze gegen halsbrecherischkeiten sinkt und man geht so auf nummer sicher. langweilig eigentlich, aber eigentlich darf man auch nicht mehr sagen.
ich stehe also am automaten, die fahrkarten und das kleingeld springen in das kleine fach am unteren ende, als ein mensch auf mich zuschwankt. den kenne ich schon, er hat immer eiter am mund, rote, entzündete haut im gesicht, abstehendes resthaar und kann nicht gehen. er bettelt und lebt davon. ich habe ihm schon oft etwas gegeben, einfach, weil soviel offensichtliches elend kaum ertragbar ist und weil es einer der penner ist, dem man wirklich nichts mehr von arbeiten gehen erzählen muss.
heute nehme ich mein wechselgeld und will rasch einen kaffee kaufen, doch er hält mich am ärmel fest. ich schüttle den kopf und will gehen, doch da hat er mich schon an die wand gedrückt und bettelt weiter. ich entwinde mich und sage, ich habe auch nicht soviel geld dabei. ein kaffee, ein kleiner einkauf, mehr ist heute nicht mehr drin für die paar groschen.
"und was ist das?!" brüllt er und grabscht nach meiner hand mit dem wechselgeld, 35 cent.
theoretisch könnte ich ihm die paar cent geben. praktisch und prinzipiell geht mir so ein verhalten aber gehörig auf den keks. und ich habe auch ein bisschen grusel vor potenziell per eiterschleim übertragbaren baktierien. "heute nicht", sage ich fest und bleibe dabei. dann flüchte ich die treppe hinauf.

ich weiß, er kann nichts dafür. vermutlich hat man ihm beim arbeitsamt auch irgendwas erzählt, von wegen kein anspruch auf hartzIV, weil er vollzeitbettler ist. oder man hat ihn längst entmündigt.
trotzdem möchte ich beim anbettlen nicht überfallen oder mit ansteckenden krankheiten infiziert werden. ich werde heute abend woanders aussteigen.

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