Sonntag, 10. Mai 2015
nervensägen
pling-pling. es weckt mich wieder einmal die sms eines "freundes", der mir schreibt: 'mir geht es soooooooo schlecht'. normalerweise würde ich jetzt aufspringen und zurückrufen, aber zwei minuten später sehe ich, dass besagter typ auch schon seit sieben stunden sein fressenbuch-profil mit weinerlichen aufrufen zur mitleidsbekundung vollspammt, inklusive suizid-drohung und bestattungstechnisch passender mucke. genau wie letztes wochenende. und wie das davor. also drehe ich mich auf die andere seite und schlafe weiter.

der hintergrund: besagter typ war jahrelang in einer bzw. zwei beziehungen. in dieser phase brachten wir es auf sage und schreibe nullkommanull anrufe, treffen oder was auch immer. manchmal grüßte er mich auf partys nicht mal, wenn er seine alte im schlepptau hatte. dieses asoziale verhalten ist mir nicht unbekannt - viele menschen brauchen eben nur dann freunde, um die miese zeit zwischen zwei beziehungen zu überbrücken. das sind allerdings dann keine menschen, mit denen ich mich befreunden mag.

bis vor wenigen wochen hatte ich schon völlig vergessen, dass wir irgendwann mal die nummern getauscht hatten. das lässt sich nun nicht mehr verdrängen, denn jetzt stehe ich ganz hoch im kurs. neben traurig-sehrtraurig-ganzschlimmtraurig-sms bekomme ich fast allabendlich auch "süße grüße zur nacht", "ganz viel liebe" und andere schleimige schwadronierereien zu lesen, wovon mir jedesmal speiübel wird - zumal ich ahne, dass der typ nie so ganz platonisch an mir interessiert war.

damit sie kein falsches bild bekommen, muss ich vielleicht dazu sagen, dass der jammer-typ ungefähr mitte 50 ist, eine familie mit mehreren erwachsenen kindern, einen super job bei der stadt sowie ein eigenes haus hat. wir haben es also keineswegs mit einer labilen, abgebrannten mitzwangziger-studenten-partybekanntschaft meinerseits zu tun, sondern mit einer gesunden, sozial und materiell privilegierten erwachsenen person.

obwohl ich inzwischen furchtbarfurchtbar genervt bin (bitte jetzt mitleid äußern! sonst muss ich mit suizid drohen!), bin ich doch auch hin- und hergerissen und muss lange mit meinem mir innewohnenenden freundlichen ratgebertanten-gen ringen. doch dann schalte ich das handy aus und schmeiße die person aus meiner fressenbuch-liste. nicht ganz ohne schlechtes gewissen. aber mit großer erleichterung.