Sonntag, 3. August 2014
baumgarten reloaded
gegen acht klingelt das objekt an.
"ich habe jetzt gleich arbeit aus... und du wolltest doch noch eine aussprache. ich dachte, wir könnten uns doch hier in den park setzen, weißte, wo wir im winter waren?"

20 minuten später treffen wir uns am besagten heiligen ort. das objekt kommt gerade angeradelt, als ich die zelte im übertragenen sinne aufschlage und schon mal den tabak auf dem paper ausbreite. ich bekomme eine bärenumarmung, dann plumpst das objekt auf die bank, schleuert die tasche von sich, trennt das arbeitsschildchen von der kleidung und zieht das hemd über dem t-shirt aus.
"schön, dass das so spontan geklappt hat!" findet es und beugt sich dann herüber, um gras auf den tabak zu krümeln.

ich sitze in der pheromonwolke, die glücklicherweise rasch von einer brise warmem sommerwind davongetragen wird, und fühle mich angespannt. nach einigen zügen und mit zunehmender entspannung sucht das objekt nach worten und macht den anfang unserer unterredung.
"morphine, ich möchte dir sagen, dass ich eigentlich gar nichts zur aussprache beitragen kann, weil von meiner seite aus im grunde alles in ordnung ist. ich mag dich, du bist ein wunderbarer mensch, und ich bin froh, dich zu kennen."

ich merke, wie die wut in mir hochsteigt.
"und zum thema urlaub? hast du dazu auch nichts zu sagen?"
"es tut mir leid, dass es nicht geklappt hat..."
"ach."
"ich wollte nicht mit der gespielin fahren. echt nicht. ich hatte den urlaub sogar noch mal verschoben und es geschafft, dass sie nicht mitkonnte. aber dann hat sie solange ihren dienst getauscht, bis es doch möglich war. ich war total durch den wind wegen diesem ewigen hin und her. ich wusste bis zum tag vor der abfahrt selber nicht, was werden würde. ich war sogar regelrecht traurig und hätte gedacht, dass die gespielin das merkt und mich wenigstens fragt, willst du vielleicht lieber allein fahren, ist das überhaupt okay für dich, dass ich dabei bin?"
"du armes opfer deiner beziehung."
das objekt schaut nervös.
"ich weiß, ich hätte es ihr sagen müssen, dass ich mit dir fahren wollte. ich hab mich nicht getraut und ich habe das den ganzen urlaub lang bereut. es tut mir wirklich leid, ich habs nicht übers herz gebracht und dachte dann, na ist ja sowieso alles zu spät."

ich schaue das objekt an, das vage richtung teich blickt. schöne worte mal wieder.
"du hast mir sehr wehgetan, und ich will, dass du das weißt."
das objekt schaut mich kurz verzweifelt an.
"deshalb bin ich ja so. deshalb will ich dir auch nicht näher kommen. ich tu dir bloß weh. die distanz ist die einzige möglichkeit, dich vor mir zu schützen."
ich bin verwirrt.
das objekt fährt fort:
"ich versuche immer, dass du mich nicht zu fassen bekommst. weil du schaffst das leicht, manchmal selbst wenn ich die distanz halte... du kannst mich erreichen und berührst dann so punkte... du rüttelst an meinem ganzen system. deshalb vermeide ich es, dir nah zu kommen."
das objekt hat angst vor mir. und vor seinen gefühlen in unserem kleinen kosmos. endlich habe ich meine theorie durch das objekt höchstpersönlich bestätigt.
"trotzdem war das echt scheiße von dir", sage ich.
"wirklich, es tut mir so leid", beteuert das objekt und starrt dann wieder zum teich rüber.

dann sagt es zögerlich:
"ich habe in drei wochen noch mal ein paar tage urlaub."
"schön für dich, ich nicht", sage ich barsch.
das objekt kaut auf seiner unterlippe.
"wir könnten doch dann wegfahren. so du und ich. die gespielin muss arbeiten, das steht fest."
"ich muss auch arbeiten. wie stellst du dir das vor?! außerdem, woher weiß ich, dass dus ernst meinst?"
das objekt hibbelt nervös auf der bank. ich fahre fort:
"und wie kommst du überhaupt darauf, dass ich noch mit dir da hinfahren will? mal im ernst, vielleicht bin ich ja froh, dass ich das inzwischen gar nicht mehr möchte."
meine stimme bebt, ich spüre neben der wut auch tränen hinter den augen drücken.

das objekt streckt den arm nach mir aus und zieht mich an seine brust.
"ich hab mich wegen dir so furchtbar gefühlt, dass es mir den halben urlaub versaut hat", fahre ich fort und komme mir dann doch mies vor, da ich ja gar nicht weiß, ob es mir mit dem objekt und dem sohnemann wirklich so gut oder besser gefallen hätte.

das objekt streichelt mich ein wenig hilflos und findet keine worte mehr. dann dreht es einen zweiten joint und danach einen dritten.
"ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen."
"kannst du nicht."
"aber denk doch noch mal drüber nach. vielleicht wäre das eine option. wir könnten alles nachholen."
"und dann sagst du zwei tage vorher ab?"
"nein. echt nicht."
ich hole tief luft:
"dann denk du doch erstmal drüber nach, was du tun kannst, damit ich dir das glauben könnte. wenn du es dir schon so sehr wünschst."

fünf minuten später stehen wir am ausgang des parks, nicht versöhnt, aber um einiges unaugesprochenes erleichtert. nach einer umarmung radelt jeder in seine richtung durch eine sternklare sommernacht. jeder stern eine hoffnung, habe ich früher immer gesagt. heute sage ich, alles nur blendwerk längst verloschener sonnen.