Sonntag, 5. Januar 2014
fickflittchen und die sieben zwerge
gestern den ganzen tag müde. schmerzen. zum einkaufen humpeln und wieder in die wohnung kriechen. trotzdem beinahe ein gefühl von lebensfreude in mir. muss am guten wetter liegen. der winter ist bislang ganz nach meinem geschmack. mild und sonnig. die klimakatastophe kann auch vorteile haben.

obwohl ich diese woche schon zweimal tanzen war, beschließe ich, später noch im club vorbeizuschauen. mein innerer kompass sagt, dass auch das objekt sich heute in feierlaune befindet. teleempathie, oder wie man das nennen mag. in teleempathie bin ich objekttechnisch inzwischen ganz gut und habe eine hohe trefferquote. theoretisch könnte man natürlich auch einfach den betreffenden anrufen, aber das wäre nicht halb so spannend.

tatsächlich ist der objekt-arsch das erste, was mir ins auge fällt, als ich den club betrete. das objekt lehnt über dem tresen und unterhält sich mit romeo, einem aufriss von anno dazumal. obwohl romeo ganz smart scheint, ist es mir noch nie gelungen, mich mit ihm zu unterhalten. also beschränke ich mich darauf, dem objekt kräftig auf den arsch zu hauen und dann schnell in der menge zu verschwinden. ich hole mir bei meinem lieblingsbarkeeper eine whiskey-cola und lümmle mich auf die couch, wo schon bekannte sitzen. ein bisschen small talk, ja, an guten tagen kann ich das, ohne mich dann anschließend leer zu fühlen, ohne die kreischende frage im kopf, wars das, ist das alles, wo ist denn da die tiefe, die wahrhaftigkeit und schönheit der echten verbindung?! an guten tagen halten die gedanken inzwischen einfach die klappe und der tapfer etablierte stumpfsinn findet das dann alles ganz nett soweit, auch wenn wir wissen, dass nett die kleine schwester von scheiße ist.

als ich so sitze, fällt mir ein, dass ich ja den therapeuten anfunken könnte, der sich luftlinie nicht mal 100 meter entfernt auf der heimischen couch befinden müsste. im anbetracht der objektanwesenheit verwerfe ich den gedanken allerdings wieder. keine welten verschränken, sagt auch das objekt, das gibt nur probleme. inzwischen halten wir unsere welten so sauber, dass wir nur unter bedacht über anderweitige affairchen im detail sprechen. auch ereignisse aus der wohngemeinschaft mit der vermietergespielin verschweigt das objekt diskret, was mir sehr entgegen kommt.

das objekt ist an diesem abend stark belagert. neben drei frauen zähle ich mindestens zwei männer, an deren blick ich deuten kann, da ist was oder da war mal was. ich halte mich im hintergrund, will die gespräche nicht stören, besonders nicht an tagen wie heute, an denen das objekt offenbar sozial kompatibel und redefreudig ist. erst gegen vier uhr begegnen wir uns ein zweites mal an der tanzfläche, wo das objekt gerade eine kleine dicke blonde frau an der backe hat. ich stelle mich hinter die frau und schaue fragend, soll ich eingreifen und das objekt schickt mir einen hilfesuchenden blick zurück. also schiebe ich mich dazwischen, umarme und küsse das objekt herzlich und schiele dann über meine schulter.
"und weg isse", sage ich.
"du, ich dank dir", sagt das objekt, "das ist heute ganz schlimm. hier sind heute insgesamt sieben frauen und typen, mit denen ich mal was hatte. vorhin hab ich gedacht, ich muss im erdboden versinken, weil die meisten von denen wahrscheinlich denken, oh gott, der arsch ist ja heute auch da."
ich muss lachen.
"das sieht aber nicht so aus", finde ich.
"ich hab mich dann heute mal so mitreißen lassen und mich mit all denen noch mal unterhalten."
"traumabewältigung oder was?"
"so in der art."
das objekt fummelt an meiner tasche.
"was machst dun da?"
"mach mal die tasche da weg."
ich hebe die tasche an und das objekt haut mir seinerseits auf den hintern.
"so, jetzt sind wir quitt."

wir gehen rauchen. es folgen uns die blicke der objektverflossenen, was das objekt nur anspornt, mich in den arm zu nehmen und mich fest an sich zu ziehen.
dann sitzen wir an der bar.
"weißte, an was mich das mit deinen exen hier erinnert? an schneewittchen und die sieben zwerge", sage ich.
das objekt kichert.
"hast du was genommen?"
"ich bin so klar wie nie zuvor. aber denk doch mal drüber nach... fickflittchen und die sieben zwerge..."
"und ich bin das fickflittchen oder was?"
"na wer denn sonst. also das märchen muss halt umgeschrieben werden. aber in zeiten der emanziption kann fickflittchen doch auch männlich sein."
das objekt lacht.
"genau... und ich muss mich dann fragen: wer hat von meinem tellerchen gegessen... wer hat in meinem bettchen geschlafen... wer hat an meinem schwanz gelutscht..."
ich merke, dass ich tränen lache.
"gut, dann musst du ja nur noch meine rolle definieren."
das objekt grübelt nach.
"dann bist du dornröschen."
"hä? also ich meine, besser als die böse königin, aber das ist doch ein anderes märchen."
"das war aber immer mein lieblingsmärchen."
ich grinse geschmeichelt, bis das objekt fortfährt:
"... und ich hab mir immer so gedacht, ich würde das dornröschen gar nicht wachküssen. ich würde das einfach ausnutzen, sie da in ihrem hundertjährigen schlaf packen und mal ordentlich durchficken. so hart und so lange und so oft ich will."
ich packe das objekt an den gürtelschlaufen und ziehe es zu mir heran. da stehen wir unterleib an unterleib und spüren, wie die sexuelle spannung steigt.
"kannst du nicht nachher einfach mitkommen?", flüstere ich dem objekt ins ohr.
"ich würde ja gern, aber ich muss in zwei stunden auf arbeit sein."
"och nö."

als ich die finger aus den gürtelschlaufen ziehe, fällt mit erst auf, dass das objekt auch schon seine dienstmarke an der hose trägt.
"such dir mal nen anderen job, ich finde, das geht gar nicht. austern essen gehen wollten wir ja auch noch, dafür hattest du auch noch keine zeit."
"ja, manchmal wünsche ich mir mein leben so von vor vier jahren zurück. aber ich muss jetzt auch alimente zahlen."
"warum das denn? der kleine wohnt doch eh quasi bei dir?"
"nicht offiziell."
"das ist ja ne ganz linke nummer."
"ja, hat der neue stecher der kindsmutter eingefädelt. der wichser hat sich auch gleich ne neue playstation gekauft, als das durch war... und ich hab genauso wenig geld wie zuvor, als ich noch auf 30 stunden gearbeitet habe."
"das ist ja krass. kann man da nichts machen? da kommt ja nachweislich dann nicht dem kind zugute."
"ich wüsste nicht was. zu weihnachten wollten die kindsmutter und ich dem lütten ein kleines notebook schenken. weil alle in seiner klasse irgendwie sowas haben. wir haben eins gekauft und was ist passiert? der typ hat sich das gekrallt und mein sohn hat sein altes notebook dafür bekommen."
"du steckst echt in der scheiße. nimm dir da mal einen anwalt und frag, was du tun kannst."
"ich will da nicht schon wieder unfrieden stiften, das muss ja alles mein sohn ausbaden."
"so muss er es auch ausbaden."
"naja, hast ja recht, aber weißte, meine kraft reicht immer nicht für alles."
ich nehme das objekt in die arme und wiege es ein bisschen hin und her, so, wie es das immer mit mir macht, wenn es mir nicht gut geht.
"ich denk mal drüber nach, vielleicht fällt mir was ein. ich kenne ja auch ein paar leute, wenn auch leider keine anwälte."
das objekt küsst meine wange:
"danke, aber du, morphine, du hast genug eigene probleme. ich freu mich, wenn dir was einfällt, aber das ist kein muss. echt nicht."
"ich weiß. sonst würde ich das nicht anbieten."

wir stehen noch eine weile beisammen, dann wird das objekt immer unruhiger.
"ich glaube, ich sollte los, ich wollte ich noch schnell umziehen. wie bist du da?"
"mit dem rad."
"tja, dumm gelaufen, sonst hätte ich dich ein stück mit dem taxi mitnehmen können."
"verschwender."
ich küsse das objekt auf die stirn.
"dann viel spaß nachher auf arbeit."
"ja, wird ruhig, weihnachten ist ja nun vorbei."

ich bleibe noch eine halbe stunde und beschließe dann, ebenfalls den heimweg anzustreben. ich fahre ein kleine schleife über die straße, in der der therapeut wohnt, bedenke ihn mit einem warmen gefühl und nehme dann den ring weiter richtung norden. der morgen ist schwarz, sternklar und ruhig, kaum noch menschen unterwegs. ich stelle mir vor, der himmel ist ein dach und die häuser ein zauberwald, und träume mein eigenes kleines märchen, bis ich endlich zuhause bin.