Sonntag, 3. November 2013
jojo-effekt
frisch gevögelt beschließe ich gegen ein uhr nachts, doch noch tanzen zu gehen, was sich als gute idee herausstellt. denn drinnen begegnen mir gleich k., der dritte mann und t. ich werde geknuddelt und geküsst und freue mich tierisch.
"du ahnst nicht, wer heute da ist", sagt der dritte freudestrahlend zu mir.
"vermutlich der mensch, der mir am meisten den buckel runterrutschen kann."
der dritte guckt bestürzt.
"habt ihr schon wieder krach?!"
"wer macht krach?" fragt t., der schon recht blau ist.
"ich hab krawall gemacht", sage ich.
t. schaut mich verständnislos an.
"erzähl mal", stupst mich der dritte an.
da berichte ich vom vergangenen wochenende, wie ich objektiv ignoriert wurde, danach vor wut explodierte und vom objektiven schlagabtausch via sms.
"oha", sagt der dritte. "das ist sehr schade, weil ich heute explizit mit dem objekt hier bin, ich bin nämlich bereits seit gestern bei ihm und wir waren gestern auch schon unterwegs. nunja... jetzt ist wieder alles so unentspannt und ich mag dich zu gern, als dass ich mich dann nicht zweiteilen würde."
"besser ist das", sage ich und zeige dem dritten die objektive sms. "ich fürchte, der ist nicht so gut auf mich zu sprechen."
der dritte reißt die augen auf und staunt bauklötze, als er die objektiven worte liest.
"krass! das ist eigentlich gar nicht das objekt."
"eigentlich, uneigentlich, scheißegal. ist jetzt nun mal so."

mit k. und dem dritten untergeärmelt begebe ich mich richtung tanzfläche, wo das objekt schon mit einer frau schäkert. ich schaue betont weg und suche mir eine ecke, die möglichst weit von den beiden entfernt ist.
es kommen noch ein paar bekannte vorbei, auch mr. shyguy ist mal wieder da. ich bin happy und unterhalte mich eine weile mit ihm. mr. shyguy will nun vom stadtrand etwas zentraler nach hh reinziehen.
"dann sehen wir uns endlich wieder öfter", sagt er.
"das wäre schön", erwidere ich mit wärme in der brust.

später sitze ich mit t. auf dem sofa und rauche. t. ist wortkarg wie immer, aber ab und an lächeln wir einander zu. t. ist inzwischen richtig breit. wieder stelle ich fest, wie sexy er ist.
"sollen wir noch was trinken", frage ich ihn.
"hmhmhm... nochn wodka redbull für mich", sagt t., sucht seine kohle und gibt mir 10 euro. damit schlendere ich rüber zu bar.

als ich die bestellung aufgegeben habe, sehe ich das objekt aus den augenwinkeln um die ecke kommen. es nähert sich, aber ich schaue weg, todsicher, dass es mich ignorieren wird.
doch dann steht es vor mir und versucht, meinen blick zu erhaschen.
"morphine", sagt es, und hält mich, als ich mich abwenden will, am ärmel fest.
"morphine... nun wart doch mal."
"was?!" fauche ich und drehe und wende mich, aber das objekt hat inzwischen auch meinen zweiten arm im griff und ich komme nicht mehr weg.

das objekt zieht mich in eine etwas stillere ecke und versenkt dort seinen grasgrünen blick in meinen augen. ich wehre mich noch ein bisschen doller, aber das objekt lässt nicht locker.
"morphine! mann!"
dann halten wir kurz inne.
"ich habe die ganzen letzten tage darüber nachgedacht, was ich dir sagen soll", blubbert das objekt. "ich war extrem sauer auf dich, aber ich verstehe auch, was dich bewegt. ich habe unsere geschichte in abgewandelter form einigen leuten erzählt und sie um rat gefragt, weil ich nicht mehr wusste, was ich machen soll, nachdem das alles so eskaliert war. mir hat meine nachricht an dich so leidgetan."
"ich fand die gut", unterbreche ich das objekt. "endlich hast du mal rausgelassen, was du wirklich denkst."
das objekt packt mich wieder fester und sagt eindringlich:
"was ich wirklich denke! was ich wirklich denke, mein gott, das einzige, was ich wirklich denke, ist, dass ich dich einfach nur in die arme nehmen und dich ganz fest drücken will."
ich bin perplex. das objekt nutzt die überraschungssekunde, schlingt die arme um mich und lässt mich nicht mehr los.
"oh mann", seufzt es in mein ohr, "ich hab mich so ohnmächtig und hilflos gefühlt. ich wollte das nicht. ich wollte dich letztes wochenende nicht so verletzen. und ich wollte dir auch nicht so eine sms schreiben."
"hast du aber", sage ich und meine damit mehreres.
das objekt schaut mir wieder tief in die augen.
"du bist so... verletzlich. mir ist noch nie so ein mensch begegnet, der zugleich so stark und so schwach ist."
"dito", sage ich.
jetzt schmunzelt das objekt wieder ein bisschen.

"es tut mir leid, wenn ich einen falschen eindruck erweckt habe, indem ich dir immer wieder gesagt habe, ich bin für dich da und dann war ich es nicht. ich bin voll. ich arbeite so viel und musste mich zugleich um meinen sohn kümmern... ich bin seit ein paar monaten kräftemäßig einfach alle."
"hm", sage ich.
"das soll nicht heißen, dass ich dich vergessen habe. ich denk ganz oft an dich, manchmal bestelle ich sogar was für dich mit, aber ich komme dann immer wieder drüber weg, dich anzufunken und zu sagen, willst du nicht was abhaben. weil ich dann schon immer alles weggeraucht habe."
das objekt grinst entschuldigend.
"kiffen ist nunmal meine medizin. es macht jeden tag, dass ich mich zufrieden fühle."
mir läuft es eiskalt den rücken hinunter und ich begreife mal wieder, wie tief das objekt in seiner drogenwelt steckt.
"und letztes wochenende, da war ich wahnsinnig dicht. ich wollte einfach nur für mich sein und meinen rausch leben."
ich schaue zweifelnd.
das objekt schaut zurück, nimmt mich dann wieder in die arme und wiegt mich beruhigend.
es hat etwas väterliches. wieder ein unhaltbares versprechen.

dann steht der dritte neben uns und strahlt mich an.
"na? wieder alles gut?"
ich ziehe den dritten weg in den raucherraum.
"ich denke, das ist vorbei. die freundschaft gibt es so nicht mehr."
"ist ja auch viel passiert zwischen euch", findet der dritte.
"der kommt nicht mehr aus seiner welt da raus. entweder sein system bricht eines tages zusammen oder er wird so auf diese weise alt... also nicht alt, aber vielleicht so 50."
der dritte mann drückt mich und seufzt:
"traurig, dass es einfach nicht mehr sein kann wie früher."

gegen halb sechs uhr morgens bleibt der harte kern - t., k., das objekt und ich - zurück.
"wie bistn du da", will das objekt wissen.
"hm, so teils mit dem rad. also ich kam bis zum lunapark, dann hat mich der regen erwischt und ich hab da das rad abgestellt und bin mit dem bus weiter."
"dann haste ja jetzt noch einen richtig langen weg vor dir, mann."
"ich wollte man t. fragen, der nimmt doch immer ein taxi, der könnte mich wenistens bis zur fruchtallee mitnehmen."
"mensch, dann könnte ich ja vielleicht auch mitfahren, ich muss ja auch dahin."

das objekt und ich verabschieden uns von k. und suchen t. t. ist schon an der garderobe und verheddert sich gerade in seiner jacke.
das objekt greift ein, hält ihm die jacke auf, knöpft sie sogar noch zu und gibt t. dann einen kuss auf die wange.
"t., du, sag mal... nimmst du gleich ein taxi?"
"ja, warum", sagt t. dunkelblau.
"wir könnten uns doch eines teilen. die morphine muss lunapark, ich muss zur fruchtallee."
t. schaut zweifelnd.
"ich fahre eigentlich nie über den ring, der weg ist sonst länger..."
"aber wenn wir uns das taxi teilen, ist es doch auch für dich billiger... auch wenn du zwei minuten länger unterwegs bist."
t. lässt sich breitschlagen.

draußen auf der straße bekommen wir sofort ein taxi.
"na, das sieht mir nach einer etappenfahrt aus", seufzt der taxifahrer begeistert.
das objekt hat sich frech vornerein gesetzt und gibt den ton an.
"jo, meister", sagt es. "meine freunde und ich sind nämlich leider nicht so ne reichen wichser, wie du sie sonst durch die gegend fährst."
"peace", grinst der taxifahrer. "hauptsache, du hast genug geld für deine etappe dabei."
das objekt grinst zufrieden und fragt dann, ob es einen rauchen darf. wie immer setzt sich die objektive dreistigkeit durch.

das objekt kommt als erstes an.
"die nächste ist die junge dame, die setzen sie bitte am lunapark ab", schärft es dem taxifahrer ein.
dann gibt es t. zehn euro und meint:
"die morphine ist von mir eingeladen."
ohne einen cent zahlen zu müssen, werde ich am wunschort abgesetzt. als ich aussteige, regnet es nicht. mein rad wurde zwischenzeitlich auch nicht geklaut.
beschwingt fahre ich durch den morgen nach hause und fühle mich ganz wohl in meiner welt.

rein äußerlich ist also alles beim alten. tief in mir drin habe ich jedoch verstanden, dass eine freundschaft mit dem objekt aussichtslos ist. was uns verbunden hat, war der sex. das waren 80 prozent. die restlichen 20 prozent reichen einfach nicht aus. nicht unter den gegebenen äußeren umständen.