Montag, 27. Mai 2013
die fauchkatze, der terrortaxifahrer und der entenkind-adoptivvaddi
gestern kam meine neue pflegekatze an. sie ist 13, latent übergewichtig und ziemlich aggro, obwohl das exfrauchen sie als sehr lieb beschrieben hat. verkaufstricks, denk ich mir und fühle mich über den tisch gezogen.

die olle katze macht es erstmal wie mademoisellchen: ab unters bett. da sitzt sie auch noch, als die lederjacke aufschlägt, mit der ich zum abendspaziergang verabredet bin.
ich lasse mich in das wohlriechende sweatshirt der lederjacke sinken und jaule:
"ich glaube, ich mag meine neue katze nicht und die mag mich auch nicht."
"ach komm, das wird noch", tröstet mich die lederjacke.
"die faucht", sage ich frustriert.
die lederjacke legt sich auf den boden und guckt unters bett:
"hey olle katze!"
die katze glotzt und faucht.
"die hat voll die pupillen, hast du der deine drogen gegeben", frotzelt die lederjacke.
"haha", sage ich.
die lederjacke wird wieder ernst:
"die hat ganz schön viel angst."
"ich weiß."
"na komm", schubst mich die lederjacke versöhnlich, "lass uns rausgehen, dann ist sie ein bisschen allein und kann mal relaxen."

ich nehme die lederjacke mit ins moor.
"boah, ist das schön hier!", ist die lederjacke beeindruckt, als wir am see stehen. um uns herum zwitschern die vögel ihre abendlieder, während zwei schwarze schwäne ihre runden ziehen und vereinzelt ein frosch quakt.
"lass uns noch da hinten lang gehen, da sind immer ganz viele wasserlilien", sage ich und die lederjacke ist einverstanden, obwohl es wie aus kübeln schifft.

"wie war eigentlich dein wochenende mit deinen eltern?" frage ich die lederjacke. "sind die heute zurückgefahren?"
"die waren gar nicht da", erzählt die lederjacke. "denen war das wetter zu mies."
"und was haste stattdessen gemacht?"
"weiß ich nicht mehr so ganz."
"gesoffen?"
"hm", sagt die lederjacke und schlägt schuldbewusst die augen nieder.
"schlimm?"
"ich hab am freitag über 100 euro versoffen."
"alter!" ich bleibe stehen und reiße die augen auf.
"und dann hab ich ein taxi genommen... und wir sind ne weile rumgefahren, weil ich nicht mehr wusste, wo ich wohne. aber dann waren wir endlich bei mir und da hab ich voll scheiße gebaut."
"warum?"
"ich hatte keine kohle mehr, hab dem taxifahrer also gesagt, er soll warten, ich geh eben hoch geld holen... und dann weiß ich nichts mehr."
"und wo ist jetzt das problem?"
"ich weiß nicht, ob ich den bezahlt habe. und mein ausweis ist weg... ich hab angst, dass der taxifahrer den hat."
"na und? der ist doch bestimmt so schlau und gibt den beim fundbüro oder so ab."
"aber wenn ich den doch nicht bezahlt hab, ist der bestimmt sauer und kommt wieder."
"war das so ein haudruff-typ?"
"weiß ich nicht mehr! kann mich doch an nix erinnern!"
"steht denn deine neue adresse schon auf deinem ausweis?"
"nee."
"na also!"
"aber mein name!"
"meinste, der macht sich die arbeit und kriecht zwischen den hochhäusern hier rum und sucht deinen namen an den klingelschildern?"
"kann doch sein."
"und wie viel, denkst du, schuldest du ihm?"
"hm... son fuffi?"
"oh mann..."
"ja was meinste denn jetzt? meinst du, der kommt und haut mir auf die fresse?" insistiert die lederjacke.
"unwahrscheinlich."
"aber ausschließen würdest du es nicht?"
"nein, kann ich nicht."
"und was soll ich jetzt tun?"
ich ziehe die augenbrauen hoch:
"mal nicht immer bis zum filmriss saufen?"
"danke", sagt die lederjacke leicht beleidigt und dann:
"naja, hast ja recht."
"ich hab immer recht", grinse ich.

als wir bei den lilien stehen und entzückt in das gelbe blütenmeer glotzen, schwimmt auf einmal eine entenfamilie vorbei.
"guck mal", stupse ich die lederjacke aufgeregt an, "entenkinder!"
"süß", findet die lederjacke, um dann laut zu rufen:
"hey, entenkinder!"
die entenfamilie ist sichtlich erschrocken. der entenpapa legt einen zahn zu und seine crew folgt ihm flugs - bis auf ein entenkind, das neugierig kehrt macht und richtung lederjacke schwimmt.

dann stehen sich entenkind und lederjacke gegenüber und die lederjacke wird ganz verlegen:
"scheiße... los... hau schon ab... schwimm wieder zu deiner family!"
"das bleibt jetzt bei dir", lache ich.
"das geht bestimmt gleich wieder, wenn es merkt, dass es nichts zu fressen kriegt", ist die lederjacke überzeugt.
doch das entenkind straft die lederjacke lügen. es bleibt. es guckt knopfäugig. es fiept. und als wir beschließen weiterzugehen, folgt es uns am ufer entlang.
"oh mann", sagt die lederjacke genervt und gerührt zugleich.
"tja", sage ich. "jetzt hast du den salat. es hat dich adoptiert. es wird nie wieder zu seiner familie zurückkehren... und wenn du nicht bei ihm bleibst, hat es gar niemanden mehr."
"haha."

irgendwann verlieren wir das entenkind im schilf.
"hoffentlich kommt es gut zu seinen eltern zurück", meint die lederjacke unruhig auf dem nachhauseweg, und ich muss lächeln, weil die lederjacke genauso tierlieb wie ich ist.

als wir wieder bei mir sind, sind wir bis auf die haut durchgeweicht. meine jeans sind schlammig bis zu den knien.
"du bröselst", sagt die lederjacke liebevoll, als ich die jeans ausziehe und in etwas trockenes schlüpfe.
"wollen wir film gucken?" frage ich.
"auja", sagt die lederjacke.
"ich muss der ollen aber erst noch was zu futtern geben."
"ja, mach mal."
ich wähle thunfisch, obwohl das schlimm stinkt, aber ich weiß, die neue kitty steht extrem drauf. vielleicht hilft ein lieblingsfressi ja beim befreunden.

wir finden die olle katze unter dem schreibtisch. sie funkelt uns mit großen eulenaugen an. ich lege mich auf den boden, damit ich kleiner bin, mache mich lang und schiebe den futternapf ganz vorsichtig und langsam an die katze ran. die lederjacke beobachtet die szene gespannt aus der entfernung. als ich den napf ungefähr 20 zentimeter vor der schnauze der katze platziert habe, springt sie wieder auf und faucht. da reißt mir der geduldsfaden und ich fauche zurück. die katze guckt erschrocken und verkrümelt sich.
die lederjacke steht unter der tür und lacht sich schlapp.
"das ist nicht zum lachen", schaufe ich entrüstet, während sich die lederjacke kaum mehr einkriegt:
"ihr seid mir schon zwei sone diven!"

dann liegen wir im bett und gucken film. die lederjacke ist nah und riecht gut. ich rutsche richtung achselhöhle und schnuppere.
die lederjacke grinst.
"wenigstens bleibst du ne schmusekatze."
"na hör mal, ich bin selektiv kontaktfreudig."
"welcher psychoheini hat dir denn den scheiß erzählt?"
"keiner. steht in meinem grundschulgutachten."
"heißt auch nichts anderes als dass du ein kleiner eigenbrötler bist."
"na und?" sage ich ziemlich aggressiv.
"nicht aufregen, ja? mich musst du nicht anfauchen", lacht die lederjacke.
"außerdem bin ich auch ziemlich komisch und ich finde es toll, dass wenigstens du mit mir klarkommst."

als der film zu ende ist, liegen wir noch ein weilchen mit vollen bäuchen zwischen leeren gummibärchentüten und trinken wodka energy. dann muss die lederjacke nach hause und ich ins bett.

als ich die tür hinter der lederjacke schließe, steht die katze hinter mir. ich erschrecke mich und stoße einen kleinen schrei aus. die katze erschrickt sich ebenfalls und rumpelt unter das bett.
ich seufze und gehe zähneputzen. nunja. man muss es ja nicht übertreiben mit der freundschaft. und morgen ist schließlich auch noch ein tag...