Montag, 6. Mai 2013
gala-leben
ein abend mit der lederjacke.

als ich ankomme, sitzt die lederjacke schon sturzbetrunken am küchentisch und hat eine halbleere flasche brandy vor sich stehen.
"na, burned out und besoffen?" sage ich zur begrüßung, bevor ich mich sehr fest in die arme nehmen lasse.
"ich bin schon hellblau", gibt die lederjacke zu. "aber anders kann man den scheiß ja nicht aushalten."
"deine arbeit?"
"ey, das ist einfach nur scheißanstrengend. ich komme zu gar nichts mehr. feierabend bin ich fix und alle. ich liege um neun uhr abends im bett. zum training war ich auch schon ewig nicht mehr."
ich schaue die lederjacke genauer an und tatsächlich wirkt der sonst so scharf definierte körper weicher. ich finde das schön, vor allem im gesicht und sage das der lederjacke.
sie lächelt geschmeichelt und lehnt sich lässig mit der zigarette zwischen den fingern zurück.

"und bei dir? du siehst total krank aus", haut die lederjacke ehrlich wie immer raus.
"ist auch bei uns alles gerade anstrengend. wir haben jetzt alle bis herbst keinen urlaub mehr."
"wiebitte?!" empört sich die lederjacke. "na jetzt ist aber polen offen! du kündigst da jetzt hoffentlich!"
"daran denk ich die ganze zeit", gebe ich kleinlaut zu.
"mach das! das geht ja gar nicht! was denkt die denn, dass ihr besser arbeitet, wenn ihr nur weihnachten und mal kurz im herbst urlaub kriegt?!"
"hm", sage ich kleinlaut.
"und hör auf, dich so klein zu machen", poltert die lederjacke weiter. "stinksauer sollte dich das machen."
"ich bin eher resigniert."
"ja, das gibt den sklaventreibern in unseren land die macht... guck dir doch mal morgens die leute in der u-bahn an! wie unglücklich die alle sind! und dann lesen sie die gala oder so einen scheiß, wo das leben von den privilegierten nullkommazwei prozent breitgetreten wird und da rebellieren die nicht mal! die finden das auch noch interessant und unterhaltsam!"

wie immer, wenn es um politik geht, redet sich die lederjacke in rage, bremst dann aber:
"sorry, ich hab dich über den haufen geredet, was? aber es macht mich immer so wütend, wenn ich sowas höre und dann sehe, wie todunglücklich du bist."
ich gucke nur, bis die lederjacke heranrutscht und mich in den arm nimmt. dann gießt sie mir einen brandy ein und lässt die gläser klingen.
"auf dieses scheißleben... und darauf, dass wir wenigstens heute abend mal spaß haben!"

wir gehen rüber in den club.
"mein ekelhafter exlover ist auch da", sage ich, als ich das objektfahrrad vor der tür stehen sehe.
"soll ich dem eine einschenken?" fragt die lederjacke solidarisch.
ich muss kichern. ein objekt-lederjacke-duell wäre natürlich spannend bis erheiternd.
"nee, bleib du mal einfach an meiner seite."
ich hake mich bei der lederjacke ein und betrete die geheiligten hallen.

die musik ist mittelmäßig wie in letzter zeit so oft. außer dem objekt ist noch mr. shyguy mit neuer flamme anwesend. ich knuddle die beiden letzteren sehr herzlich. das objekt schaut kurz bedröppelt rüber und dann gleich wieder weg.
die lederjacke holt mir einen wodka energy von der bar und versorgt sich selbst gleich mit bier und schnaps.
"vielleicht solltest du mal zwischendurch ein wasser trinken", schlage ich vor.
"vielleicht solltest du zwischendurch mal deine sorgen vergessen und lachen?"
kontert die lederjacke.
dann schaut sie mich genau an.
"du hast da was weißes an der nase."
"hm", sage ich und rubble, "das sind bestimmt irgendwelche pollen, bin ja vorhin rad gefahren."
"schneeglöckchen, was?"
ich haue die lederjacke ein bisschen. die lederjacke kichert über ihren eigenen witz und meint dann:
"so betrachtet bekäme auch das wort heuschnupfen eine ganz neue bedeutung!"
ich muss jetzt doch lachen.
"na gottseidank", sagt die lederjacke.
"endlich taust du mal auf."

die lederjacke scheint es sich zur hauptaufgabe gemacht zu haben, mich zu erheitern. das gelingt ihr recht gut. zwischendurch gehe ich sogar tanzen und halte dabei sogar die objektnähe aus.
die lederjacke ist inzwischen sturzbetrunken, schwankt und lallt und lässt sich von zwei schwulen angraben, bevor sie sich wieder zu mir flüchtet.

dann ist es kurz nach vier. wir sind beide alkoholbeeinträchtigt, müde und ziemlich gelangweilt.
"willst du gehen?" fragt die lederjacke und ich übersetze die frage richtig in "ich würde gerne nach hause."
als echter gentleman würde mich die lederjacke nämlich niemals nach hause drängen.

bei der lederjacke falle ich direkt ins bett, während die lederjacke noch ein bisschen wach ist und musik hört. dann endlich kriecht sie zu mir unter die decke.
"du?" sage ich.
"hm" sagt die lederjacke.
"kannst du mich bitte ganz fest in den arm nehmen?"
die lederjacke schmunzelt, legt meinen kopf in ihre armbeuge und umschlingt mich.
"gut so? oder ist dir das zu schwer?"
"super."
"ehrlich? du kannst doch so nicht schlafen."
"ich kann so wunderbar schlafen."
und bevor die lederjacke noch lange vetos einlegen kann, bin ich schon im land der träume.

ich träume, dass ich mit der lederjacken-familie strandurlaub mache und die lederjacken-mama eine kettenrauchende heidi klum ist. als ich wach werde, ist die lederjacke auch wach, wie immer eigentlich, denn die lederjacke leidet unter schlafstörungen.
"du! ich hab was lustiges geträumt!"
"ich habs gemerkt", erwidert die lederjacke.
"wie das denn?"
"du hast mich getreten!"
"oh."
"ja! das machst du jedesmal! immer strampelst du im schlaf."
"sorry."
"ja, toll, sorry, und jetzt pennst du gleich weiter und machst es dann wieder!"
"dafür hast du besoffen geschnarcht!"
"hab ich gar nicht!"
"hast du doch."

dann müssen wir beide lachen.
"los, komm", sagt die lederjacke und löffelt mich. dann schlafen wir ganz friedlich, bis es 16 uhr ist und die lederjacken-mitbewohnerin uns unsanft weckt, weil wir chaos in der küche gemacht haben und zu viel lärm obendrein. die lederjacke rafft sich auf, spült ab und entsorgt eine halbe tonne asche sowie leere flaschen, während ich mich anziehe und mein rad beim club abhole.
wieder zurück hat die lederjacke gekocht. wir essen tortelloni mit nix, weil beide zu faul sind, zur tanke zu fahren. danach mache ich mich auf den nachhauseweg. schließlich fängt morgen wieder unser nicht-gala-leben an.

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