Sonntag, 19. Mai 2013
zweiter streich oder an evening with desaster
ich fahre noch mal zur lederjacke, weil wir die wohnung noch putzen wollen. als ich ankomme, ist auch einer der fünf brüder der lederjacke da. der lederjackenbruder ist klein und rund, hat weiche gesichtszüge und guckt sehr lieb. ich bin überrascht.
"krass, ihr habt null ähnlichkeit", sage ich und schaue immer wieder vom lederjackenbruder zur lederjacke.
"ach... wennde erst mal alle von uns kennst... da sind schon überschneidungen", sagt die lederjacke.

während die lederjacke alles desinfiziert, was jemals fremde hände erreicht haben könnten, feudle ich mit dem lederjackenbruder die wohnung. wir verstehen uns auf anhieb bombe und landen nach beendigung der wischaktion bei einem bier in der küche, wo die lederjacke zu uns stößt.
"pass auf, du aschst alles voll", weise ich die lederjacke hin.
"oh sorry", sagt die lederjacke, um dann zu fragen:
"was machstn heute noch?"
ich zucke die achseln:
"vielleicht clubbing."
"schade, dass ich morgen umziehe... sonst wären wir ja mitgekommen."
"ich seh schon, ich muss bald mal wiederkommen", sagt der lederjackenbruder.

gegen halb eins trennen wir uns an der u-bahn.
"ich muss in die richtung, ich muss noch mal nach hause, duschen und mich aufbrezeln", sage ich.
"ja dann... bis bald", sagt die lederjacke und drückt mich.
"ich ruf dich morgen mal an, okay?!"
"okay", rufe ich und steige in die einfahrende bahn.

zuhause spüre ich die müdigkeit, die mir in den knochen steckt. außerdem habe ich nur noch round about zehn euro und müsste dringend geld holen. draußen schifft es comme vache qui pisse. nach einer heißen dusche fühle mich jedoch wieder munterer und schmeiße mich in ausgehklamotten.
eigentlich will ich gleich noch zur spaßkasse, aber ich bin zu spät dran. als ich um die ecke radle, kommt schon mein bus um die kurve. also nix wie rein. in altona gibt es ja auch sparkassen.

trotz starkregens nehme ich am ziel den umweg zur bank meines misstrauens. dort dann die große überraschung: man lässt mich nicht ein. offenbar ist das kartenlesegerät am eingang defekt und meine karte wird nicht erkannt.
ich fluche, zähle mein geld, neun euro und 60 cent, das ist keine gute grundlage, aber es reicht für den eintritt und die fahrkarte zurück. getränketechnisch würde ich mich einfach frech durchschnorren.

vor dem club steht das arschlochfahrrad. sofort sinkt meine restgutelaune in den keller. verdammt, ich wollte mich ja gewitzt rächen und keine konfrontation mehr.

erstmal rein und aufs klo. dort treffe ich die neue flamme von mr. shyguy, die mich zum rauchen überredet. wir gehen noch mal kurz vor die tür und ziehen einen durch. da ich aufgeregt und schon wieder wütend bin, wirkt das dope nicht beruhigend wie sonst, sondern verursacht mir einen megaherzschlag, von dem mir schlecht wird.
"alles gut?" fragt mich die neue mrs. shyguy und guckt besorgt.
"jaja", sage ich, denn mrs. shyguy kennt die unselige objektstory ja nicht.

im club gibt es mal wieder mittelprächtige musik und mittelmäßige menschen. ich sage mr. shyguy und einem bekannten hallo. dann hänge ich mit dem bekannten an der bar. der bekannte guckt deprimiert, weil er ein laufendes gerichtsverfahren an der backe und ein gesperrtes konto hat.
"und dabei war ich mal unternehmer und hatte 20 angestellte", seufzt der bekannte frustriert. "manchmal möchte ich einfach nur hoch zur bahn gehen und den kopf auf die gleise legen." der bekannte hat sein unternehmen in die insolvenz gefahren, weil er sehr lange sehr krank war und vom krankenhaus aus zu wenig kontrolle über seinen betrieb hatte. als die auftraglage einbrach, hat er den schweren fehler begangen, seine angestellten fairerweise weiterzubezahlen und so ratzfatz schulden im sechsstelligen bereich angehäuft.
"du musst ein schwein sein in dieser welt..." intoniere ich und der bekannte lacht wieder ein bisschen.

dann betritt das arschloch den raum. es sieht mich und macht stante pede kehrt. in mir steigt ein 10000 grad heißer zorn auf.
"warte mal", sage ich zu meinem bekannten.
an der bar erwische ich das objekt. es kehrt mit den rücken zu wie ein kind, das nach dem motto "wenn ich dich nicht sehe, kannst du mich auch nicht sehen" handelt.
ich muss mich stark zusammenreißen, nicht gleich zuzuschlagen, sondern tippe ihm nur sehr energisch auf die schulter. es dreht sich um und glotzt.
"hallo", sage ich.
das arschloch guckt nur stumm.
"wir haben ein hühnchen zu rupfen, mein freund", grolle ich. "kommst du mal bitte mit."
"nicht jetzt", wehrt sich das objekt.
"es geht nicht immer nur um deine bedürfnisse!" werde ich laut.
da lässt sich objekt widerstandslos mitzerren.
"also", setze ich wieder an, als wir in einer ruhigen ecke stehen. "keine sorge, ich will nichts von dir. mit dir bin ich durch. ich will nur wissen, wann ich mit meinen sachen rechnen kann!"
offenbar hat sich das objekt doch die mühe gemacht, sich eine lösung zu überlegen.
"ich könnte sie dir schicken."
"ja, das ist gut", bin ich einverstanden. "schicken ist sehr gut. ansonsten bring sie mir vorbei, wenn ich nicht da bin. weißt ja, wann ich arbeite. kannst sie mir einfach vor die tür schmeißen, in meinem haus wird nicht geklaut."
"wenn du deswegen ausgaben hast, ersetz ich dir die natürlich", sagt das objekt zu meiner überraschung. sieh mal an, da schimmert ja ein rest anstand und charakter durch.
"nein", sage ich, "ich will kein geld von dir."
"ich will aber nicht diskutieren", fährt das objekt fort. "nicht heute. ich bin heute nicht konfliktfähig."
ich schnaube verachtungsvoll.
"wann warst du das je?!"
da dreht sich das objekt um und geht.

das wars, denke ich, und spüre die endgültigkeit als gewissheit vom herzen in richtung tränendrüsen steigen. ich reiße mich zusammen, hole meine sachen von der gardarobenfrau und sage mr. und mrs. shyguy tschüß.
mr. shyguy guckt traurig:
"es ist wirklich unfassbar, wie das mit dem objekt und dir so eskalieren konnte. ich dachte immer, er und du, das ist für die ewigkeit."
ich ringe mit den tränen.
"ist nicht alles seine schuld, glaub mir, auch wenn er in den letzten wochen einfach ein totaler arsch war. ich weiß nur, ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr."

dann gehe ich nach draußen, schleppe mich zur haltestelle und heule ein bisschen, bis mir mein geldproblem wieder einfällt. zum glück ist da an der ecke eine haspa-filiale. doch als ich meine karte ins lesegerät halte, wiederholt sich das spiel von vorhin: karte ungültig. spitze. und das vor den beknackten feiertagen. ich kann mein pech nicht fassen, finde aber, dass die geschichte mit der karte super zum rest des beschissenen abends passt.

als ich zuhause endlich ins bett falle, fühle ich mich müde und ausgetrocknet vom weinen, todtraurig und dennoch ein kleines bisschen befreit. du bist auch nicht einsamer als zuvor, sage ich mir, bevor ich die augen schließe und einschlafe.