Sonntag, 8. April 2012
sick people
vor knapp zwei jahren saß ich mal im club am rand der tanzfläche. ich hatte gerade das objekt kennengelernt und hockte da in rundum-zufrieden-laune mit meinem caipi, als sich ein typ zu mir setzte. ohne zuvor per anguck-und-lächel-offensive zu checken, ob ich konversationsbereit war, sagte er mir ganz direkt, dass er mich toll fände und dass er mal mit mir vögeln wolle. ich antwortete, dass er das vergessen könne, unter anderem, weil ich schon einen freund hatte (damals war ich noch ganz objekt-sicher).

"aber wir können doch mal kaffeetrinken gehen", schlug der typ daraufhin vor.
grundsätzlich eine nette idee, allerdings gehe ich normalerweise nicht mit typen platonisch kaffeetrinken, die mir eine minute zuvor offenbart hatten, dass sie mir an die wäsche wollten.
"das kommt auf deine absichten an", sagte ich. "wenn du denkst, dass du erst einen auf nett machen und mich dann flachlegen kannst, liegst du falsch."
der typ fühlte sich sichtbar durchschaut, war aber nicht abgeschreckt:
"könntest du dir gar nicht vorstellen, dass wir sex haben?"
"ehrlich gesagt: nein. du bist nicht mein typ", erwiderte ich ganz offen.
der typ blieb sitzen und guckte mich mit großen hundeaugen an. also stand ich auf und ging.

an der bar holte er mich ein.
"aber wir könnten doch mal telefonnummern tauschen", fand er.
ich seufzte. das war einer von der ganz hartnäckigen sorte. aber ich war in friedlich-frischgevögelter laune, das objekt war nicht weit, also sagte ich:
"na gut."
gesagt, getan.
"ruf mich an!" sagte er, "wir könnten so viel spaß zusammen haben."
oh mein gott. mich beschlich die leise ahnung, dass die sache mit dem nummern-tauschen ein schwerer fehler gewesen sein könnte. also ließ ich mich reviermarkieren, indem ich zum objekt ging und mit ihm zu knutschen begann. der typ sollte sehen, dass ich mit jemanden war, der ihn um anderthalb köpfe und eine schulterbreite überragte und sicherlich keine schmerzen damit hatte, ihn ungespitzt in den boden zu stampfen.

als ich mit dem objekt an der garderobe stand, um unsere sache abzuholen, kam der typ wieder angeschlichen und wünschte mir eine "wundervolle gute nacht und süße träume".
das objekt guckte irritiert: "was war das denn?"
"n spinner", sagte ich. "hat vorhin gefragt, ob er mich vögeln kann."
das objekt lachte laut.
"naja, fragen ist ja legitim", fand ich. "nur sollte er halt das nein kapieren."
das objekt sah dem typen nach und schüttelte den kopf.

die katastrophe nahm ihren lauf. als ich mit dem objekt auf dem nachhauseweg war, plingte mein handy zum ersten mal. es war der typ. er wünschte mir nun auch noch per sms eine gute nacht.
"morphine, du hast dem vogel doch nicht etwa deine nummer gegeben", hakte das objekt nach.
"äh, doch, das war sozusagen notwehr", meinte ich. "ich wollte ja nur, dass er endlich geht."
das objekt schüttelte den kopf: "du bist doch sonst so ne intelligente junge frau."
"ich weiß, das war doof von mir", jammerte ich.

doch es war zu spät für reue. als wir beim objekt in den roten laken lagen und eine postkoitale zigarette rauchten, plingte das handy schon wieder. es war der typ, der mir schrieb, er hoffe, dass ich mit meinem freund viel spaß habe und dass er an mich denke.
"oh nein", sagte ich.
"was denn?" das objekt setzte sich auf und las die nachricht.
"gib mir mal das handy", sagte es dann.
ich krallte mich an meinem handy fest. so gut kannten wir uns ja nun auch wieder nicht, dass ich dem objekt mein heiliges handy überlassen würde.
"was willst du denn damit?!"
"gib mir das handy", sagte das objekt ruhig.
"nein."
"morphine, den wirst du so leicht nicht mehr los!"
"was willst du mit meinem handy?"
"ich ruf den jetzt an und mach den rund."
ich kicherte. das angebot war schmeichelhaft und kam der geste gleich, dass sich ein mann für mich prügelte. aber mein grundsätzliches männer-misstrauen verbot mir, die sache aus der hand zu geben.
"wenn er mir das nächste mal zu nahe kommt, darfst du ihm eine reinhauen", beschwichtigte ich das objekt.
"okay, dann kommst du gleich zu mir, ja?", ließ sich das objekt versichern.

ich bekam an diesem sonntag noch ungefähr fünf weitere sms, die ich gar nicht mehr las, sondern sofort löschte. dann war erstmal ruhe und ich dachte nicht mehr an den spinner.

die woche darauf war ich in einem anderen club und der typ war leider wieder da. es war mir etwas unangenehm, weil ich auf keine der smsen geantwortet hatte, allerdings musste ich ja ein deutliches signal setzen. das war der typ typ, der nicht locker ließ und vermutlich auch in eine antwort wie "lass mich in ruhe!" ein "erobere mich!" hineininterpretiert hätte.

der typ verhielt sich zunächst recht normal. das lag sicherlich auch an der objektanwesenheit und dem objektiven ich-spalte-deinen-schädel-mit-einem-handkantenschlag-blick. doch dann musste ich allein gehen, weil das objekt an diesem wochenende seinen sohnemann bei sich hatte. ich tippelte auf meinen hohen hacken zur u-bahn und fühlte mich bereits unwohl und beobachtet. als ich mir an der u-bahn einen energydrink aus dem automaten zog, sagte plötzlich jemand "hallo". es war sie-wissen-schon-wer.
"äh, hallo", sagte ich irritiert.
"na schöne frau, wohin des weges", wollte der typ wissen.
"nach hause."
"aha, und wo ist das?"
"kennst du nicht."
"naja, aber vielleicht können wir ja ein stück zusammen fahren?"
ich bekam gänsehaut, dachte dann aber: keine angst, hier sind ja überall überwachungskameras.
"wir werden ja sehen", sagte ich dann gezwungen freundlich.
das gab dem typ die sporen:
"ich kann ja auch mit zu dir kommen!"
"nein."
"aber warum denn nicht?"
"das hab ich dir schon hundertmal erklärt."
"aber dein freund ist nicht da."
"das hat mit meinem freund nichts zu tun. du bist nicht mein fall, aus, ende, mickymaus."
der typ schwieg eine weile, dann kam gottseidank die u-bahn.

als wir zusammen in der u-bahn standen, überlegte ich, wo ich aussteigen sollte. auf gar keinen fall dort, wo ich wohnte. sonst würde mir der typ bis nach hause folgen und so meine adresse herausfinden. also nahm ich die haltestelle, die zwei stationen von meinem eigentlichen ziel entfernt war.
"ich muss", sagte ich, als die bahn hielt.
"war sehr schön mit dir", sagte der typ, so, als hätten wir in der u-bahn eine leidenschaftliche nummer geschoben.

ich rannte nach hause, nicht ohne mich mehrmals umzusehen, dass mir auch niemand folgte.

die darauffolgende woche im club war der typ wieder da, sagte aber nichts mehr. ich war vorläufig erleichtert.
am ende des abend ging ich wieder mit dem objekt rote laken gucken. gerade, als wir einander die klamotten von den leibern fetzten, kam eine sms an.
"na, hast du noch jemanden eingeladen", fragte das objekt mit seinem löwe-frisst-antilope-blick.
ich ahnte, wer die sms geschickt hatte. die erotikkurve sank gegen null, als ich das handy aus der tasche hervorholte.
"och nö", nörgelte das objekt.
"oh nein", sagte ich, nicht ohne entsetzen und zeigte dem objekt die nachricht: es war so schön, dich heute gesehen zu haben.
"ich will jetzt nicht sagen, ich habs dir ja gesagt", grinste das objekt.
"das ist spooky", sagte ich.
"der sitzt jetzt zuhause und holt sich einen auf dich runter", zog mich das objekt auf.
"ihh! was soll ich denn jetzt machen?", fragte ich, doch das objekt hatte keine lust auf tarzan-rettet-jane.
"ich wüsste schon was", sagte das objekt und kniete sich über mich.
okay, ablenkungsmanöver gelungen.

nachrichten wie eben genannte gingen fortan in unregelmäßigen abständen nach clubabenden bei mir ein. dann, ungefähr ein halbes jahr später, schien der typ aufzugeben. die 0177-nummer, die mir jedesmal das blut in den adern gefrieren ließ, tauchte nicht mehr auf meinem handy auf.

gestern war ich mit k. und meinem neuen bekannten t. im club. ich schrieb den djs eine wunschliste und bekam fast jeden song gespielt. wir tanzten vollkommen ausgelassen und ich konnte sogar für zwei stunden die sonst alles dominierenden schmerzen vergessen.
als ich mit t. im raucherraum stand und ein bier trank, meinte dieser:
"du hast ziemlich viele exfreunde hier, kann das sein?"
"nein", sagte ich irritiert. "ich bin seit jahren single. klar hab ich meine affairchen, aber ich glaube, außer k. ist heute sonst niemand da."
"hm", sagte t. "da stand vorhin so ein kleiner typ an der tanzfläche und glotzte dich die ganze zeit an... und schien was dagegen zu haben, dass du so happy aussiehst."
ich zog die augenbrauen hoch.
"das kann ich mir nicht vorstellen."
"na, ich kann mich auch täuschen", wiegelte t. ab.

gegen sechs, als die lichter angingen, verabschiedete ich t. und brachte dann k., der schwer angetrunken war, nach hause. dann durchschritt ich die unterführung und bog in die harkortstraße ab. da ich über meinen mp3-player musik hörte, fiel mir nicht auf, dass jemand hinter mir ging. als sich eine hand auf meine schulter legte, bekam ich fast einen herzinfarkt: der typ war wieder da.

"na, auch auf dem weg nach hause?" fragte er.
ich überlegte schnell.
"nein, ich gehe jetzt zu meinem freund."
der typ guckte:
"achso."
"ja."
"ja dann..."
"tschüß", sagte ich schnell und lief weiter die straße entlang.
als ich schließlich an der bushaltestelle stand, plingte mein handy: es war so schön, dich heute gesehen zu haben.

and here we go again...
das nächste mal nehme ich besser wieder ein taxi.