Sonntag, 9. November 2008
stilfragen für berlin und das leben
man kann etwas wegbomben. man kann etwas wiederaufbauen. man kann aber auch zwischen das übriggebliebene etwas neues stellen. neues neben antikem und dazwischen ein west-östlicher divan. auf den ersten blick sieht das aus wie kraut und rüben.
immer wenn ich nach berlin komme, ist mein erster gedanke: gottseidank, dass ich da nicht wohne. was für eine hässliche stadt. vor allem der westen. da raus richtung pankow ist es ja fast noch gemütlich. rückständig, aber wohnlich.
nach zwei bis drei tagen gewöhnt man sich aber auf geheimnisvolle art und weise an kraut und rüben. so ist das mit dem geschmack: eine frage der nase und wie schnell sie sich auf etwas einstellt. und nach zwei tagen merkt sie kaum mehr, wie sehr es auf dem alex stinkt (nach pisse und faulen eiern). stattdessen geht man andächtig über den potsdamer platz und bemerkt die kleinen raffinessen der architektur. versetzt hintereinander geschachtelte mauervorsprünge. auf spiegelung konstruierte glasfronten. und wie die fensterlamellen die linien der treppen kontrastieren. es lädt zum fotografieren ein, ausschnittweise. es ist surreal, aber okay. man muss sich darauf einlassen anstatt zu verdammen.
die frage anschließend ist, ob man mehr möchte als betrachten. bleiben zum beispiel. wie lautet die formel für großstadtglück?

im osten, schon etwas weiter draußen, wo es noch kleine verfallene häuser und viel leerstand gibt, weil der soli anscheinend nur partiell bis in die peripherie durchdringt, fragt mich der kater "meinst du, die sind glücklich da drin?" und deutet mit dem kinn auf ein fenster, in dem ein grüner papierdrachen hängt. "klar, warum nicht", sage ich. ein einfaches leben ist nicht gleichbedeutend mit unglücklich-sein.
luxus dagegen ist wie nikotin: irgendwann glaubt man, das leben ohne wäre irgendwie weniger schön. wer viel bekommt, wird immer mehr wollen. um dann irgendwann festzustellen, dass die quantität und noch nicht einmal qualität gleichbedeutend sind mit glück. weil die sache mit dem glück ein tiefseegraben ist, nicht die wellen, die man darauf sieht. denn man sieht nur gut mit dem herzen, schrieb einst saint-exupéry sinngemäß. das herz schafft mehrere kilometer, das auge nur ein paar zentimeter. es kommt also nicht darauf an, was man sieht, sondern wie man sieht.
so löst man wohl letztlich auch die frage mit berlin: ist es schön oder hässlich? nicht, indem man stilfragen diskutiert. sondern, indem man lebt, entdeckt und es lieben lernt, stück für stück.