Sonntag, 31. August 2014
fortschreitende heilung
sonntag, 14 uhr. das objekt klingelt mich aus dem bett:
"hey morphinchen! hast du lust, mit mir schwimmen zu gehen?"
schlafschwere betäubung in meinem kopf.
"hmhmhm..." murmle ich, ohne recht zu begreifen.
"oh, ich hab dich aufgeweckt... ich geb dir mal ein paar minuten zum wachwerden, ja?"
schwupps, hat das objekt aufgelegt. und ich bin mit der ersten schweren frage des tages konfrontiert:
schwimmen oder nicht schwimmen?

bis vor wenigen wochen wäre dies keine frage gewesen, sondern ein kraftvoller impuls, über das serotonin-morgenloch hinweg sofort aus dem bett zu springen, jubilierend den tag zu begrüßen, dann schwimmsachen, kondome und spielzeug einzupacken und zum objekt zu rasen. inzwischen ist jedoch eine bemerkenswerte veränderung im denken eingetreten. der kopf schreit nicht mehr, hurra, hauptsache objekt, sondern hakt kritisch nach: habe ich wirklich lust, heute ins schwimmbad zu gehen? jetzt, an einem kater-sonntag, so mit kreischenden kindern und millionen anderer hässlicher menschen?

ich putze erstmal zähne. dann klingelt das handy erneut.
"wo willste denn überhaupt schwimmen gehen?" will ich vom objekt wissen. "st. pauli?"
"nee, ich würde heute rausfahren, richtung kellinghusen."
auch noch weit fahren, hm. ich werfe einen blick aus dem fenster. es regnet bindfäden. und ich merke, wie mir das wetter die letzte entscheidung abnimmt.
"nee, ich glaub, ich hab kein bock", sage ich den für mich unvorstellbaren satz, den ich gegenüber dem objekt meines wissens noch nie ausgesprochen habe.

das objekt verstummt betroffen. ganz offenbar hat es mit dieser reaktion nicht gerechnet.
"schade", sagt es irgendwann und es klingt tatsächlich nach "schade", nicht nach "na gut, ich hab trotzdem spaß".
dann legen wir auf.

zwei minuten später dreht meine biochemie durch. wohlige erinnerungen durchzucken mein bewusstsein: heiße küsse in der gemeinschaftsumkleide, unterwasserfummeln, nacktschwimmen im whirlpool. du musst sofort das objekt anrufen und ihm sagen, dass du doch mitkommen willst, befiehlt mir der objektverseuchte teil meines hirns.
nein, du hälst das jetzt mal aus, sagt ein anderer und sendet abschreckende vorahnungen vor mein geistiges auge: unrasierte muttis unter der dusche, kleinkinder mit vollen windeln, jugendliche, die ins wasser pullern, lüsternde typen, die mir auf den arsch glotzen.

und dann geschieht das wunder: ein stückchen gelassenheit und das vage gefühl, trotz allem die richtige entscheidung getroffen zu haben, machen sich in mir breit.
tschakka!

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