Sonntag, 15. April 2012
hurt me, thrill me, bore me, kill me
unvergessene liebe klebt an dir wie der schweißgeruch in den lieblingsplastikschuhen, die du seit jahren eisern trägst, weil es keine besseren gibt. wenn pheromone der duft der liebe sind, ist die klebrige erinnerung der gestank. süßlich, bitter, modrig. verwesung eben. er geht dir nicht aus der nase.

während eine wohnungsleiche bei fliegenbefall und günstigen temperaturen in nicht einmal 14 tagen vollständig skelettiert und damit beinahe appetitlich restzuentsorgen sein kann, ist die liebe erinnerung ein koloss, der sich hefekuchenartig aufbläht, insbesondere dann, wenn langeweile herrscht.

langeweile lässt sich bisweilen herrlich wegficken, wegsaufen oder mit anderen bewusstseinsverändernden stimulanzien vorübergehend killen. auch existenzangst, gerichtliche mahnungen, entzweiungen im freundeskreis, partnerverlust oder krankheit können sehr unterhaltsam sein und ungeahnte dimensionen von kurzweil ermöglichen. doch irgendwo gibt es immer ein kleines loch, ein luftiger moment, in den sich unvergessene liebe hineinschleicht.

begegnungen mit dem gegenstand der unvergessenen liebe, auch genannt exfreund/expartner (scheiß auf gender, sie wissen schon), können trotz kurzweil diesen prozess noch einmal intensivieren. insbesondere, wenn der gegenstand sehr nahe kommt. gestern beispielsweise, als mir das objekt von hinten angreifend die hände unter den rockbund schob.

binnen kürzester zeit macht die erinnerung alles, was neu und frisch richtung herzgegend wachsen will, zum ground zero. so stand ich heute morgen vor dem haus des menschen, weil ich mich schon seit tagen nach seiner liebevollen umarmung sehnte. die erinnerung hatte mich jedoch kontaminiert wie die vögelgrippe, wie das objekt aids scherzhaft nennt. also fuhr ich nach hause und saß dann lange auf der bettkante, bevor ich mich zum epic fail entschloss und dem objekt eine sms schickte, die ich zunächst sehr schön fand, beim absenden dann schon etwas melodramatisch und drei minuten später enorm peinlich.

das ergebnis entsprach ungefähr dem worst case scenario, das eine sms auslösen kann: sie kommt an, der empfänger liest sie sofort, hat dabei miese laune und keinen bock auf den absender, ist außerdem betrunken und reagiert summasumarum ungebremst negativ.
"ich weiß echt nicht, was du eigentlich willst", bellte das objekt in den hörer. "den ganzen abend bist du total verschlossen und eisig, und jetzt wieder das gegenteil."
ich schwieg beschämt.
"ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll", sagte das objekt in das schweigen hinein.
"lass uns mal in ruhe über alles sprechen, es ist einfach zu viel vorgefallen", bemühte ich mich um diplomatie.
"aber nicht nächste woche", wehrte das objekt ab. "die drauf vielleicht."
wusch, aufgelegt.

mit dem handy zwischen den fingern sank ich in die kissen, die sich schwer und klumpig anfühlten, genauso wie mein herz, das gegen schwarzen erinnerungsmoder ankämpfte. die luft in meinem stickigen schlafzimmer war heiß und trocken. es dauerte sehr lang, bis sich der sargdeckel des schlafes endlich teerartig über mein bewusstsein senkte und das denken ertränkte.

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