Sonntag, 22. Januar 2012
k.einen bock geschossen
k. war schlichtweg nicht zu überreden, mit in den club zu kommen. ältere herren brauchen auch mal einen ruhigen abend - ich verstand das.

also männerfreier abend, beschloss ich. einfach nur tanzen und mit dem dj quatschen, um ein paar neue songs im ohr mitzunehmen.

denkste. schon an der tür traf ich den ersten bekannten, der mich jedesmal zu einem date zu überreden versucht. ich kam eine viertelstunde lang nicht dazu, die jacke auszuziehen. irgendwann gab ich mich geschlagen und rückte meine telefonnummer heraus, damit er glaubte, den monolog ein andermal fortsetzen zu können. natürlich würde das nie geschehen.

kaum betrat ich den nebenraum, stand der drogenberaterbulle vor mir. er knutschte mich gleich und hatte ratzfatz die finger unter meinem oberteil.
"alter, du hast ne frau zuhause sitzen!" rief ich und hielt seine hände fest.
er guckte und guckte und meinte dann betreten:
"aber die liebe ich doch nicht mehr."
"das klang neulich aber anders."
achtung, jetzt kam es:
"aber das war, bevor ich dich getroffen habe."
mir fehlten kurzzeitig die worte. der drogenberaterbulle hatte sich ernsthaft in mich verliebt. von einmal knutschen.
"aber du kennst mich doch gar nicht!" rief ich verzweifelt.
"doch, du bist super", beharrte der drogenberaterbulle.
"ich bin nicht super, ich bin ein wrack", erwiderte ich.
der drogenberaterbulle guckte bedröppelt.
"ich dachte, wir machen uns heute nacht auf und davon."
"was meinst du damit konkret? eher so in richtung vögeln oder in richtung heiraten?"
"naja, auf und davon eben. wir fangen ein neues leben an. zu zweit."
der typ hatte definitiv eine meise und einen schweren realitätsknick, obwohl ich die idee sehr süß und romantisch fand. hört frau ja nicht alle tage. die meisten sagen nur, geile titten, baby, lass uns ficken.
"tut mir leid, ich bin in meinem kosmos ganz glücklich", nahm ich ihm den letzten wind aus den segeln.
der drogenberaterbulle seufzte und fragte dann:
"aber einen kuss krieg ich noch?"
naja, wollen wir ja mal nicht so sein, dachte ich.

und schwupp, hatte ich des drogenberaterbullen zunge am zäpfchen und seine hände schon wieder an meinen brüsten.
exakt in dieser sekunde kam das objekt vorbei. es blieb stehen und guckte. dann schüttelte es den kopf, als müsse es eine halluzination verscheuchen und glotzte dann noch einmal. auf seinem gesicht stand ein großes fragezeichen und deutliches entsetzen. nunja, es kannte mich ja sonst auch nicht mit mittelalten biederen herren in bluejeans, sportschuhen und funktionsjacke.

dann endlich ließ der drogenberaterbulle von mir ab.
"war das dein exfreund?"
ich guckte verwirrt.
"der typ mit den langen roten haaren."
"äh, wieso das denn?"
"der guckte eben, als hätte er mir gern auf die fresse gehauen."
"nein, nein, der ist ganz harmlos und auch nicht mein ex", sagte ich schnell und dachte dabei an die szene damals vor dem supermarkt, wie das objekt den penner vermöbelt hatte.
"na gottseidank, denn der scheint ja ein ganz schweres drogenproblem zu haben."
"äh, kann sein."
"doch, das ist so, der nimmt barbiturate oder opiate oder sowas, das seh ich sofort."
"ich muss mal zur toilette", sagte ich, weil ich das ganz dringende bedürfnis zu verschwinden hatte.

in meiner verzweiflung rannte ich tatsächlich erstmal auf klo. in einer kabine setzte ich mich und seufzte laut. da hatte ich wem das herz gebrochen. und die chancen, dass ich je wieder mit dem objekt sprechen würde, hatten sich dadurch auch nicht unbedingt vergrößert. das objekt teilte genau in freund und feind ein, und zugeknöpfte drogenberaterbullen gehörten sicherlich zu den erzfeinden.
ich seufzte nochmal.
"hallo." jemand klopfte an meiner tür.
ich öffnete.

draußen stand eine frau, ungefähr mitte oder ende 30, rockerbraut, mit riesigen möpsen. sie lächelte freundlich.
"dachte ich es mir doch, dass du das bist."
ich guckte verwirrt.
"sie müssen mich mit jemandem verwechseln."
"nein, nein, sicherlich nicht", sagte die frau. "wir haben uns vor drei jahren in einem anderen club kennengelernt... du warst damals sehr traurig, weil dich gerade dein freund verlassen hatte, und ich hab dir einen tequila ausgegeben."
ich überlegte. die zeit und die umstände waren plausibel. aber ich konnte mich beim besten willen nicht an diese frau erinnern. das sagte ich ihr auch.
"naja, das ist doch aber nicht schlimm", fand die frau. "gehst du auch heute noch einen tequila mit mir trinken?"
sie zwinkerte mir lustig zu und ich schnallte: lesbenalarm.
trotzdem war die gute ja sehr nett und ich dachte, warum sollte ich nicht einen kurzen mit ihr trinken? besser als mit dem drogenberaterbullen rumstehen und dessen grabschhände im auge zu behalten.

aus dem einen tequila wurden dann allerdings rasch zwei und dann drei. ich fühlte mich angetüddert und saß auf dem barhocker, während die frau neben mir stand und den arm um mich gelegt hatte. meine nase befand sich direkt vor ihrem enormen dekollete.
und halleluja, wie sollte es anders sein, kam das objekt mit einer leeren bierflasche, die es an der bar abzugeben gedachte, auf uns zu. es guckte wieder verdutzt, starrte mit offenem mund und schüttelte erneut den kopf. vermutlich dachte es, ich hätte mir die olle zur abschreckung des drogenberaterbullen zugelegt.

"ich muss dann mal wieder", stotterte ich irgendwann.
"wohin denn?" fragte die frau und ließ mich nicht los.
"zu meinem freund."
"ach scheiß doch auf die männer."
den satz hätte ich zu einem anderen zeitpunkt ausgesprochen gerne unterschrieben, eine million mal vervielfältigt und flugblattartig in den straßen hamburgs verteilt. aber heute eher nicht.
"war nett, dich kennengelernt zu haben", sagte ich artig und verdrückte mich.

ich versteckte mich beim dj. hinter den turntables tippte ich eine nachricht an k.:
"komm doch noch vorbei. du musst doch bloß einmal um die ecke latschen. und die party ist total spitze und es sind lauter tolle leute hier."
für einen guten zweck durfte man auch ein bisschen schwindeln, fand ich.

k. antwortete jedoch nicht. das war okay, fand ich, da es bereits vier uhr morgens war und k. sicherlich schlief. mein verständnis löste jedoch meine probleme nicht. so verbrachte ich den rest des abends auf der flucht vor dem drogenberaterbullen und der merkwürdigen frau.

das objekt schlich noch mehrmals an mir vorbei und betrachtete mich aus trauriger distanz. früher war ich einfach hingegangen und hatte mich knuddeln und knutschen lassen. und das objekt hatte mit seinen starken armen, ein paar sprüchen und deutlichen reviermarkierungen alle lästigen sabberer vertrieben.
es machte mir also immer noch etwas aus. die erkenntnis war niederschmetternd. ich registrierte die blicke des objekts und wusste, dass es auch ihm noch wehtat. aber ich würde daran nichts ändern. wenn, dann musste es zu mir kommen und sich entschuldigen und dann könnten wir ja vielleicht lustige smalltalk-bekannte werden, wenn auch nie wieder freunde.

irgendwann, es war schon spät, nahm ich meine jacke und ging einfach los. ich lief durch den regen, bis meine füße wehtaten und der kopf müde war. erst dann suchte ich eine bushaltestelle und nahm den nächstbesten bus richtung zuhause.

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