Sonntag, 1. August 2010
a question of trust
mein leben ist voller touristen. sie kommen, gaffen, vergnügen sich und reisen wieder ab. ich versuche, mit dieser flüchtigkeit zu leben, fühle mich selbst jeder verpflichtung entbunden, gaffe, vergnüge mich, fahre wieder weg. hin und wieder ein souvenir, das war es dann.

vertrauen hingegen ist rar. ich hab nicht viel davon. ich haushalte streng damit. die letzten jahre haben mich gelehrt: es lohnt sich meist nicht. vertrauen wird gern genommen und zum dank dafür gibt es ohnehin bloß schwache sprüche wie: "oooohhh, du bist so ein toller lieber mensch (ich hab dich gar nicht verdient)!"

es kostet mich inzwischen viel kraft und überwindung, jemandem zu vertrauen. aber hin und wieder tue ich es. ich hab schließlich menschenkenntnis, denk ich mir. doch ein zufall offenbart es dann wieder: lüge und betrug. inzwischen bin ich selbst lieber ein teil des spiels, indem ich zusammen mit anderen dritte betrüge. man ist aus erfahrung klug geworden: nie wieder opfer sein, immer täter. das ist fein, weil man außen vor bleibt, außerhalb der schusslinie, wahlweise am abzug. zero emotion, keine verwicklungen.

schwierig wird es allerdings, wenn man an menschen gerät, bei denen man als mitbetrüger selbst betrogen wird, indem sie einem vorgaukeln, es gäbe gar keinen betrug. anfangs ist man noch auf der hut, gesundes misstrauen. man spielt seine rolle und man meint, die rolle des anderen zu kennen. doch dann beginnt der mikrokosmos zu verschwimmen. das schleichende warme gefühl im bauch, weil jemand in der lage ist, die standardsprüche mal anders zu verpacken. weil dich dieser jemand in seine welt schauen lässt oder das, was er vorgibt, dass es seine welt sei. und plötzlich stellst du fest: du magst die oder den ja bzw. das, was sie oder er von sich zu erkennen gibt/vorspielt. und dann beginnt das große grübeln: würde es eventuell nicht schaden, in diesem fall besagtes kostbares vertrauen zu investieren? würde einem nicht etwas entgehen, wenn man es nicht täte? die tiefe, die substanz der dinge, authentizität? und überhaupt: was, wenn die oder der andere dir vertraut und dabei bemerkt, dass du es nicht tust? wäre sie oder er dann nicht zu recht enttäuscht?

sich fallen lassen. sich mal gut tun lassen. nicht strategisch denken, sondern einfach fühlen, mitgehen, mitmachen. irgendwo in dir poppt dieses merkwürdige bedürfnis auf wie ein werbefenster. und obwohl du weißt, dass bedürfnisse nicht gerade en vogue sind, denn man soll ja gefälligt selber tun und nichts fordern, wirst du irgendwann müde, es immer wegzuklicken. lässt dich stattdessen einlullen. und ehe du dich versiehst, hast du schon ein stück vertrauen verschenkt, das du nie wieder siehst. das ist weg für immer. der andere hat es konsumiert und weil du merkst, wie er sich freut, wie du ihm gut tust, gibst du gleich noch etwas hinterher. so beginnt der automatismus des verlustes. du siehst es noch schwinden, denkst dir, was für eine verschwendung, kannst aber nicht mehr zurück. drogenabhängigkeit funktioniert ähnlich.

bis dann unweigerlich der große moment der wahrheit kommt, in dem die illusion zerschellt. meist ist wieder mal zufall, der dinge ans licht bringt, ein betrunken dahergesagter satz, der unbefangene vierte. dann weinst du. du weinst nicht dem nach, was du nie bekommen hast, sondern dem, was du tatsächlich verloren hast: dein vertrauen. und dein vertrauen in das vertrauen.

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