Samstag, 17. Juni 2006
überleben und sterben im untergrund
irgendwer sagte einmal, öffentliche verkehrsmittel seien nur für die fünf "a" der gesellschaft: "arbeitslose, alte, auszubildende, ausländer und asoziale". im sommer jedoch zeigt sich vor allem in u-bahnen ohne sozialen unterschied die gesellschaft von ihrer ekelerregendsten seite.
denn sommers werden hier mit vorliebe die blauen krampfadern weißer beine in kurzen hosen zur schau gestellt. ärmellose oberteile und kleider offenbaren die unglaublichsten vogelnester unter den armen auch weiblicher fahrgäste. die herren der schöpfung neigen zur exhibitionistischen präsentation ihres nackten oberkörpers, dem in der regel eine großzügig behaarte wampe und hängetitten der körbchengröße b plus angehört. die geschlechter vermischen sich weiterhin optisch in sachen schuhwahl, bei der männlein wie weiblein zu schlappen tendieren, was je nach gehaltsklasse entweder birkenstock oder plastiklatschen aus dem supermarkt sein können. die ökonomischen unterschiede relativieren sich beim schuhinhalt, wo zentimeterdicke gelb-grüne hornhaut in breiten rissen von fersen klafft und mörderzehennägel bei fußfetischisten folterfantasien auszulösen vermögen.
angst und schrecken verbreiteten desweiteren die ausdünstungen, die in u-bahnen trotz geöffneter fenster entstehen können. neben moschusproduktionsanlagen wie den bereits erwähnten unterarm-nestern ist es auffallend häufig nicht nur bei älteren menschen eine note von urin. die döner-esser unter den fahrgästen hinterlassen bleibende schäden der nasenschleimhäute durch ätzende zwiebel- und knoblauchwolken. keineswegs zu unterschätzen sind auch anzugträger, die aufgrund repräsentativer pflichten trotz überschreiten der 30-grad-marke stundenlang das jackett nicht ausziehen durften, wobei nahezu jedes deo den dienst versagt. höhepunkte an geruchsintensität werden da erreicht, wo den hemden darunter kunstfaser beigemischt ist. werden hosen aus polyester getragen, tritt oft das phänomen des "arschwassers" auf, der anal-analogen variante zum uringeruch.
dieser artenvielfalt von gestank zu entrinnen ist nur selten möglich. mit etwas vorsicht kann man es sich jedoch hin und wieder erträglicher machen. die nähe zu personen mit entsprechenden hundertjährigen schweißrändern in kleidung oder dunklen verkrustungen auf der nackten haut sollte vermieden werden. wer sich selbst stark parfumiert oder seine freizeit für das werben mit körperpflegeartikeln opfert, kann unter günstigen umständen aufklärerisch und als vorbild wirken.
der optischen vergewaltigung vermag man noch viel schwerer zu entkommen. blinde sind hier klar im vorteil. wer gelegenheit hat, die augen einige zeit zu schließen, sollte diese nicht verpassen. finstere sonnenbrillen können ebenfalls etwas linderung verschaffen.
zuletzt muss noch die belästung durch das akustische auftreten der sommerlichen u-bahn-benutzer erwähnung finden. sommers scheint der durchschnittliche iq um etwa 10 bis 20 punkte zu sinken. dies macht sich bemerkbar, indem bestimmte satzfragmente und worte auffallend wiederholt werden (z.b. "ey, waaiisdu, alda"). die kommunikationslautstärke steigt um mehrere dezibel. singen in trommelfellerschütternden dissonanzen ist möglich, ebenso plötzliches grundloses schreien und irres lachen, vor allem bei den jüngeren mitfahrern. hier hilft nur ein walkman ohne lautstärkenregulierung oder oropax. durch hörschäden begünstigen ist zum abschalten ihrer hörgeräte zu raten.