Montag, 26. August 2013
objekt-lederjacken-clinch
ich stehe mit der lederjacke an der bar. die lederjacke trägt ihre lederjacke und sieht ultraheiß aus, obwohl sie schon angetüddert ist. schließlich haben wir bis halb drei uhr nachts noch eine cocktail-session bei der lederjacke zuhause eingelegt und dann spontan beschlossen, doch noch im club vorbeizuschauen.

die lederjacke hat mir ein kafka-hörbuch geschenkt. wir diskutieren gerade über den werten herrn samsa, als das objekt den raum entert. auch das objekt ist besoffen, wie ich seinem glasigen blick entnehmen kann. es schiebt sich an einer menschentraube vorbei auf mich zu, entreißt mich mit einer bärenumarmung dem gespräch und knutscht mich. es hat den ansatz eines vollbartes im gesicht und riecht nicht gerade frisch geduscht.

die lederjacke, die ähnlich wie ich einen feinen sinn für höflichkeit hat, steht irritiert einen halben meter abseits. als sich das objekt schließlich ab- und dem barkeeper zuwendet, sagt die lederjacke sehr laut und deutlich und in objekthörweite:
"wer issn der penner? der sieht ja aus als hättense den bei stalingrad ausm graben gezogen."

mir klappt der mund auf und wieder zu. noch wendet uns das objekt den rücken zu und zählt geld auf dem tresen. noch. denn was die lederjacke nicht weiß, ist, dass das objekt zwar grundsätzlich friedfertig ist, aber bei solchen sprüchen schon mal eine ausschenkt.

ich halte die luft an. mit einem sehr flauen bauchgefühl ziehen die sekunden zähflüssig an mir vorbei. dann dreht sich das objekt um und ich sehe sofort an seinem gesichtsausdruck, dass es den stalingrad-satz sehr wohl gehört und verstanden hat. die lederjacke wiederum ist kein bisschen verlegen, schiebt das kinn vor, spannt die brust an und hat die fäuste in den taschen geballt.

ich beobachte, wie zwei testosteron-gewitterwolken aufeinander zudriften und sich gleich entladen werden. flucht, sagt mein instinkt, und ohgottogott, sagt mein verstand. doch der ohgottogott will mir nicht helfen, als mich das objekt packt, mir demonstratisch den arm um die schulter legt und in richtung lederjacke sagt:
"sag mal morphine... ist das unterwäschemodel da dein neuester aufriss?"
ich schlucke.
"naja", fährt das objekt fort und versenkt seinen armageddon-blick in den augen der lederjacke, "ich mach mir mal keine sorgen, weil du lässt ja eh nix anbrennen."

ich halte noch immer die luft an. die lederjacke starrt unerschrocken in die grünfunkelnden objektaugen. ich warte darauf, dass das blicke-duell unentschieden endet und die beiden sich an die gurgel gehen. doch dann gibt mir das objekt einen reviermarkierer-knutscher auf den mund und trollt sich stolz und langsam.

die lederjacke schaut mich mit hochgezogenen augenbrauen an.
"wer war denn bitte DAS?!"
"mein ex-lover", stammle ich.
"ach komm", sagt die lederjacke. "du hast doch sonst nen ganz guten geschmack."
"find ich auch", sage ich schnell und lege der lederjacke versöhnlich den arm um die taille.

gegen halb fünf ist uns langweilig und wir begeben uns zum ausgang. als wir an der garderobe stehen, kommt - wie es der teufel so will - das objekt heraus, das ebenfalls am gehen ist.
"morphine!" ruft es und drückt mich zum abschied, küsst meinen hals und macht ein großes bohei, bis es merkt, dass die gespielin in der tür steht und säuerlich dreinschaut.

ich habe nie geglaubt, dass ich der gespielin einmal dankbar wäre. doch in diesem fall bin ich es.
"komm", sage ich, nehme die lederjacke bei der hand und ziehe sie schnell nach draußen. im hintergrund höre ich das aufgeregte gebrabbel der gespielin.

draußen schwingen wir uns auf die räder.
"ich fahr noch weiter", sagt die lederjacke.
"ich kann dich nicht aufhalten", erwidere ich. "ich will nachhause."
"komm doch noch mit", bettelt die lederjacke.
"nee. weil dann sitz ich morgen mittag noch immer in irgendeiner kneipe und hab nen schädel wie fünf mann."
die lederjacke grinst. dann gibt sie mir zwei küsschen und fährt in die nacht davon.

ich selbst bin erleichtert und gottfroh, als ich zuhause bin und weiß, dass sowohl lederjacke als auch objekt noch alle zähne im mund haben.