Samstag, 10. August 2013
wir sind ja nich so
beim klavierspiel gehört es zu den grundvoraussetzungen, linke und rechte hand möglichst unabhängig voneinander bewegen zu können. allerdings kenne ich niemanden, der dies derart perfektioniert hat wie behörden. das führte unter anderem dazu, dass mir jetzt knapp 600 euro fehlen, was bedeutet, dass mir für den rest des monats 21 tacken bleiben. wer mag, kann mir was spenden. ich sitz dann mal vorm rewe. sie erkennen mich am totenkopf-shirt, meinem grauen second-hand-mini und dem schild "hilfe, vom finanzamt abgezockt!".

aber eigentlich wollte ich ja ganz was anderes erzählen.

gestern ereilt mich nämlich die nachricht meines derzeitigen, ja, nennen wirs mal freund. sein vater liegt mit krebs im krankenhaus. mir rutscht das herz in die hose, ich denke, wie furchtbar für den armen vater, wie furchtbar für meinen freund. also rufe ich angesichts dieses notfalls stante pede an, maximal bewegt, maximal besorgt, und höre ein relativ cooles "is nicht so schlimm, kann man ja gut operieren" durch den hörer. und mir klappt die kinnlade runter.
medizinische möglichkeiten gut und schön. aber schnallt der eigentlich, dass sowas ein potenzielles todesurteil ist? dass der vater hier knallhart mit der endlichkeit menschlichen seins konfrontiert ist?
mein puls ist bei 180, vor mitleid und kurz darauf wegen so viel ignoranz.

eigentlich hatte ich ja beschlossen, mich einfach mal einzulassen. ist ja auch in ordnung, dass da jemand ist, der bei minimalreizen nicht gleich so an die decke geht wie ich. aber krebs ist krebs und vater ist vater, und selbst wenn ich meinen vater hassen würde, würde mich so etwas doch IRGENDWO betroffen machen.

bei unserem letzten date habe ich meinem freund auch endlich gestanden, dass ich nicht ganz so normal ticke. dass ich mit medikamenten lebe, die mich über den tag und vor selbstmord retten. für den kommentar "naja, so ein gehirn ist ja auch in der lage, sich selbst zu regenerieren" hätte ich ihn an die wand klatschen können. er hält meine depression für eine art kleinen, vorübergehenden seelenschnupfen. dass ich mich nicht ficken lassen wollte, hat ihn dann wesentlich härter getroffen. tja, mein freund. sex mit depressiven ist eine traurige angelegenheit, beziehungen aber auch.

um seine belastungsfähigkeit zu testen, war ich die letzte woche einfach mal ich selbst. eines miesen morgens, als ich im größten serotoninloch der letzten wochen erwachte, schrieb ich eine dramatische, suizidale sms, die ich normalerweise dem objekt geschickt hätte, das mir daraufhin umgehend den kopf zurecht gerückt hätte, notfalls mit gewalt. der neue mann ließ sich 12 stunden zeit, bis eine sms ankam mit den worten: "klingt ja nicht so schön, dann schlaf mal gut."

nunja. der mann ist normal. ein stino, der sich für das gegenteil hält. ein romantiker, der glaubt, romantik sei sexy. it´s killing me. ich bin auf 180. und gleichzeitig so angetan. dass er so verliebt in mich ist. dass er in einer so runden, komplikationsfreien welt lebt. dass er sich um morgen, ja noch nicht mal um heute gedanken macht. während ich mich jede minute frage, ob es sich eigentlich noch lohnt, den löffel in der hand zu halten und ihn nicht an der pforte zur hölle abzugeben.

ich möchte treten und um mich schlagen. ich möchte zärtlich sein. aber alles, was ich schaffe, ist den kopf an die wand zu knallen, bis ein teufelhorn durch die stirn wächst.

zumindest in sachen job scheint sich was zu tun. mein potenzieller neuer chef wird mich an diesem wochenende noch anrufen. wow.

ich halte sie auf dem laufenden.
thanks for listening.