Samstag, 10. November 2012
wild night
"hast du heute abend schon was vor?" fragt mich gestern nachmittag das objekt.
hab ich nicht und weil ich mich sowieso nur alleine gelangweilt hätte, kommt mir die objekt-anfrage ganz recht.
"puh, da bin ich aber froh", sagt das objekt, "ich hab mich innerlich schon irgendwie auf deinen besuch eingerichtet."
dreistigkeit ist dem objekt nicht fremd.
"wollen wir nicht lieber ausgehen?" frage ich zurück, da ich das objekt lieber auf neutralem boden treffen würde.
"och nööööö", sagt das objekt, "dann können wir nichts rauchen und außerdem hab ich heute spätschicht und bin dann bestimmt müde."
"na gut, alter mann", sage ich und das objekt schnaubt entrüstet am anderen ende der leitung.

um 22 Uhr klingelt mein telefon erneut.
"ich bin schon zuhause", flötet das objekt ins telefon. "du kannst jetzt vorbeikommen, wenn du willst."
ich putze gerade die wohnung und habe nicht vor, vor 23 uhr das haus zu verlassen.
"so in einer stunde", erwidere ich.
"lass es doch nicht so spät werden", nörgelt das objekt. "sonst haben wir so wenig zeit füreinander."
"heißt das, ich soll mich für die nacht einrichten?"
"naja, ich dachte, wir rauchen schön was zusammen... trinken noch was... dann film... naja, und dann... ich sag mal, einschlafen erlaubt."
da klingt so charming, dass ich debil ins telefon grinsen muss und mich schon wieder tierisch vorfreue.

um halb zwölf mache ich mich auf den weg, nehme bei der tanke noch bier mit und bin so doch erst 10 minuten vor hexenstunde am objektiven lebkuchenhaus.
das objekt holt mich im flur ab und flitzt dann zwischen küche, wo tagliatelle mit pilzen vor sich hinköcheln, und seinem zimmerchen, wo es gerade dabei ist, eines seiner berühmten gedichte niederzuschreiben, hin und her.
"leg dich ab, machs dir bequem... rauch eine zigarette... und hier hast du wein... essen ist gleich fertig."
wie gewohnt überschlägt sich das objekt vor lauter gastfreundschaft.

dann sitzen wir im bett und schmausen. das objekt hat seine riesenportion in drei haps verschlungen, dreht schon den ersten joint und quasselt mich voll. es ist warm, ich bin pappsatt und bekifft und das objekt riecht so objektiv, dass ich mich plötzlich ultra entspannt fühle, mich behaglich in der objekt-achselhöhle zurechtrücke und der kommenden dinge harre. das objekt sitzt neben mir, streichelt zart mit einem finger meine schläfen und drückt geheimnisvolle punkte an meiner stirn. ich werde müde und nicke fast ein.

dann aber krabbelt das objekt aus dem bett, geht ins bad und lässt auf dem weg beiläufig sämtliche bekleidung fallen. ich versuche, den kopf nicht zu bewegen, starre allerdings aus den augenwinkeln und muss ins laken beißen, um nicht zu sabbern. das objekt kommt zurück, schwingt sich lässig mit latte auf halbmast wieder zurück zu mir ins bett, schaut mich an und fragt sehr sanft:
"na, wie geht dir da in deiner kleinen morphine-welt? wie fühlst du dich?"
"super", flüstere ich.
da plötzlich blickt mich das tier aus den objektaugen an und sagt:
"dann raus aus den klamotten."

soviel zum thema objektive monogamie. wir hören auf zu denken und überlassen unseren körpern die weitere abendgestaltung. hände und münder gehen auf wanderschaft, tasten, schmecken, berühren, elektrisieren und lieben jede erdenkliche körperstelle. als das objekt kommt, hält es meine hand und ruft laut "oh mein gott, oh mein gott". danach kriecht es in meine arme und umklammert mich.
"oh mein gott", sagt es noch mal und die postkoitalen zuckungen schütteln es erneut. "ich hatte sex."
ich muss lachen. "du hast ständig sex."
"nee", erwidert das objekt, "genau so muss sich sex anfühlen und das hatte ich schon sehr lange nicht mehr."
ich sage nichts, also fragt das objekt nach:
"und du? geht es dir gut?"
"ich habe mich schon deutlich mehr gelangweilt", sage ich sarkastisch. das objekt bricht in lachen aus und meint:
"den spruch muss ich mir unbedingt merken!"

das objekt steht erneut auf, löscht die lichter und bittet mich dann, meinen handywecker zu stellen. die uhr zeigt mir 5:21 uhr.
"scheiße, ist das spät!" sage ich.
"egal", sagt das objekt, "das hat sich gelohnt."
"definitiv."
wir lächeln uns frisch gevögelt an, dann krieche ich in die objekt-arme.
"bitte bitte einmal ganz doll kuscheln", sage ich, und das objekt umschlingt mich auf objektmanier mit armen und beinen, dreht mich auf den bauch und bedeckt mich mit seinem körper. es ist ein bisschen anstrengend zu atmen, aber eben nur ein bisschen, und genau so muss sich geborgenheit anfühlen. das objekt nimmt meine hand in seine und streichelt zärtlich die innenseite meines handgelenks. so schlafe ich ein.

um 12 klingelt mein handy. schlaftrunken krabble ich über das komatöse objekt hinweg und stelle den wecker aus. im zimmer riecht es schlimm nach kiffe. ich mache das fenster auf und gehe zähneputzen. danach kuschle ich mich wieder ins bett. das objekt stöhnt und murmelt etwas unverständliches. es dreht sich zu mir und drückt mir seine morgenlatte in den bauch. das spiel beginnt erneut.

erst als der kirchturm nebenan 13 uhr schlägt, erschrickt das objekt.
"oh nein, meine schicht hat ja schon angefangen."
in windeseile springt es in seine klamotten.
"du kannst gerne noch hierbleiben", sagt es zu mir. "mach dir nen film rein und rauch noch was."
"och nö", finde ich. "ich will nicht den ganzen tag verdaddeln."
"na gut, dann komm. ich bin schon zu spät."
gemeinsamm rennen wir aus dem haus und in richtung klinik. vor dem eingang drückt und küsst mich das objekt noch mal:
"danke für diesen abend und diese nacht."
mit diesen worten drückt es mir ein päckchen in die hand. achja, das hätten wir im rausch der sinne beinahe vergessen.
"danke", sage ich und schwinge mich auf das rad.
"ich habe zu danken", meint das objekt förmlich.
"alter ficker", schmunzle ich und das objekt pufft mich in die seite.
"bis bald", sagt es und fügt hinzu: "und das meine ich auch so."