Donnerstag, 30. August 2012
kitten content
der gestrige empfang war wie gedacht: die mieze flüchtet aus der box direkt unters bett und versteckt sich hinter einer am bettpfosten herabhängenden jacke. nur die äußerste schwanzspitze guckt noch hervor, wird dann aber eingezogen, als ich mich auf den bauch lege und unter mein bett linse. die lederjacke, selbst katzenerfahren, steht daneben und meint: "die siehst du vor dem wochenende nicht mehr."

wir gehen ins wohnzimmer und die lederjacke pflanzt sich in meinen sessel. ich hibble verlegen im drehstuhl, kann mich nicht entspannen. das vieh unter meinem bett und die sexy lederjacke, die heute ein muscleshirt trägt und durchtrainierte oberarme offenbart, machen mich ganz kirre. die lederjacke fragt vorsichtig:
"willst du mal erzählen, was in den letzten monaten so passiert ist?"

ich beginne, von meiner frisch erworbenen psychischen zerbrechlichkeit zu berichten. die lederjacke hört sehr aufmerksam zu und für einen moment fühle ich beinahe objekt-geborgenheit. männer, die zuhören, die ruhe und geduld ausstrahlen, die ihre langen beine ausstrecken und damit meinen stuhl zu sich heranziehen, die sind mir sympathisch.

die lederjacke hat mir auch ein geschenk mitgebracht: ein kleines gebiss, das mit den zähnen klappern kann. ich bin ganz gerührt.
"da hat die katze auch was von", findet die lederjacke.
"der macht das bestimmt angst", mutmaße ich.
"dann verbringt sie auch das wochenende unter deinem bett, haha."

plötzlich und unbemerkt steht der kleine tiger unter der tür. ich entdecke ihn zuerst und flüstere "guck mal" und langsam drehen wir unsere köpfe. das genügt, um bei madame sämtliche fluchtreflexe zu aktivieren. doch die neugier ist stärker als die furcht, und zwei minuten später steht sie wieder unter der tür und guckt.
"boah, was für ein schönes tier", flüstert die lederjacke.
"wildkatze", flüstere ich.
"und guck mal die augen... riesige blaue, nein rote, oder nein... rotblaue augen!"

wildcat pirscht im tiger-style um uns herum und schnuppert misstrauisch. dann streckt die lederjacke die hand aus. wildcats näschen kommt näher und näher. schwupps, angedockt. danach kommt sie zu mir und wir sagen uns hallo.
wir halten ganz still, während wildcat umherwandert und meine wohnung pfote für pfote erobert. dann klackert das trockenfutter im napf und wir wissen, dass auch in sachen appetit alles okay ist.
"die ist schneller als wir dachten", sagt die lederjacke und ich bin ganz erleichtert.

als die lederjacke auf klo muss, folgt ihm wildcat bis vor die tür.
"pass auf, wenn du die tür aufmachst", rufe ich.
als die lederjacke wieder im wohnzimmer sitzt, sage ich:
"also wenn die dich nachher vermisst, muss ich dich leider zwingen, hier einzuziehen."
die lederjacke lacht.
"da kann ich mir was schlimmeres vorstellen."
"danke für das kompliment."
"bittebitte."

als die lederjacke entschwindet, weil depri-morphine serotoninmangelbedingt frühzeitig ins bett muss, bin ich im gegensatz zu sonst hellwach. wildcat sitzt gelangweilt auf meinem bett und erhebt sich dann, um ins wohnzimmer abzuwandern. dort streckt sie sich auf dem teppich im mondschein aus und macht katzenwäsche.

ich lege mich ins bett und fühle mich angespannt. ich bin tiere nicht gewohnt. wildcat ist so leise, dass ich mich zu tode erschrecke, sobald auch nur der vorhang im dunkeln raschelt. es wird eins, dann zwei, dann drei. als ich kurz eindöse, werde ich schnell wieder wach, weil etwas warmes, schweres zwischen meinem po und meine kniekehlen liegt. die besitzer hatten behauptet, wildcat würde nie ins bett kommen, aber vielleicht haben sie einfach nur einen festen schlaf.

am morgen bin ich total gerädert und spät dran. zähneputzen, anziehen, haare kämmen und los. ach halt. die katze.
luft anhalten und klo sauber machen, dann noch mal luft anhalten und die dose ragout öffnen. nassfutter ist ja wichtig. als ich den napf in sicherer entfernung weiß und einatme, muss ich würgen. das zeug stinkt zum himmel, und es ist noch nicht mal thunfisch. zumindest für die nüchterne nase eine vegetarierin ist katzenfutter eine echte zumutung.

wildcat ist unsichtbar. ich rufe sie, aber sie kommt nicht. erst, als ich den vorhang im schlafzimmer zurückschieben will, entdecke ich das fell-vorhang-knäul am boden. da hat es sich aber jemand gemütlich gemacht. wildcat starrt mich erschrocken an, bewegt sich jedoch nicht. ich strecke den finger aus. sie schnuppert und lässt sich ganz zart unter dem kinn kraulen.

dann kann es losgehen. als ich die tür abschließe, überlege ich, ob ich an alles gedacht habe (kippfenster schließen, herd ausmachen, klodeckel schließen, yucca-palme in sicherer entfernung platzieren), dann ziehe ich los ins büro - nicht, ohne vorher noch ein stoßgebet zum himmel zu schicken, dass wildcat in meiner abwesenheit keine bambule veranstaltet und vor allem nicht beginnt, reviere in meiner wohnung zu markieren.

wider erwarten finde ich bei meiner rückkehr eine saubere und unberührte wohnung vor. aber alle näpfe sind leergefuttert und das klo benutzt. wildcat hingegen ist wieder unsichtbar. ich finde sie nach längerem suchen hinter dem kleiderschrank. da sitzt sie bis jetzt und bewegt sich nicht. vermutlich muss die lederjacke nun doch bei mir einziehen.

t.b.c.