Montag, 6. August 2012
k.ürzeste nacht des jahres
im club k. aufgegabelt, der betreten in einer ecke steht, sich dann aber sichtlich freut, dass ich doch da bin.
"komischer abend", findet er.
ich sehe mich um und weiß sofort, was er meint: seine ex ist mit ihrem neuen stecher da und knutscht vor k.s augen rum. nicht die feine englische, aber so what. wurde sowieso zeit, dass dieses merkwürdige verhältnis der beiden ein ende fand. es war ein mieses spiel, dass die k.-ex betrieben hatte: sie ließ k. nicht vom haken, bewegte sich in der öffentlichkeit stets auf tuchfühlung und markierte so ein revier, das sie gar nicht mehr besetzte - um ihn dann am ende des abends stehen zu lassen und mit dem objekt oder einem der fünf anderen lover vögeln zu gehen.

trotzdem wirkt k. irgendwie befreit - und auch ich fühle mich entspannter als sonst. als wir zusammensitzen, berühren sich unsere hände. anstatt sie wegzuziehen, umschließen k.s finger irgendwann meine hand. ich fange seinen blick und sein lächeln auf und fühle schon wieder zarte nachtfalter in der magengrube, die richtung herz-licht flattern.

als der abend zu ende ist, gesellen sich unsere bekannte h. und der architekt zu uns. h. und der architekt tauschen blicke und ich spüre, da geht was. h. ist verlegen, weiß sie doch, dass ich den architekten auch gern habe. aber ich freue mich für h. und den architekten. als der club seine pforten schließt, beschließen wir in ausgelassener laune, zum hafen runterzufahren und uns ans wasser zu setzen.

der architekt verfrachtet uns schon reichlich angeschickert in sein auto und dann geht es los. eine viertelstunde später stehen wir an der elbe, blinzeln in die sonne und grinsen wie bekloppt. es ist ein schöner moment. es ist ein schöner moment mit genau den richtigen leuten.
"das nächste mal muss mr. shyguy auch mit", findet k.
ich nicke. heute wäre mr. shyguy allerdings zum fünften rad am wagen mutiert. wir vier hier, das ist perfekt.
"kannst du ein foto machen", bettelt h., die dasselbe empfindet wie ich.
ich habe eine bessere idee und halte den augenblick mit einem handyvideo fest.

der architekt zieht los und besorgt bier und zigaretten. wir sitzen am hafenrand und lassen die beine baumeln. vor uns landen möven im wasser und balgen sich um ein brötchen.
"scheißviecher", sagt k., der generell keine tiere mag.
"als kind hatte ich angst vor möven", fällt mir ein. "weil die so groß sind. nachts hab ich oft geträumt, dass sie sich in eine art geier verwandeln und mich zerfleischen."
"du bist auch nicht ganz dicht", lächelt k. und gibt mir einen kuss auf den hals.

der architekt kommt zurück und verteilt bier und zippen.
als er mir feuer gibt, gucke ich k. in die augen. er hält meinem blick stand.
"ist mir noch nie aufgefallen, dass du grüne augen hast", sage ich.
"ich dachte, die sind blau", entgegnet mir k.
"nee", widerspreche ich, "die sind grün. die haben eine blauen ring, aber in der mitte ist die iris grün."
"gott, ich habe türkise augen", seufzt k. mit gespieltem entsetzen. "das sieht doch bestimmt total schwul aus."
"hast du vorhin mitbekommen, wie mr. shyguy von einem schwulen typen angequatscht wurde?" fällt ihm h. ins wort.
"nee."
"er war total entsetzt und überlegt jetzt, ob er sich die haare anders frisieren soll."
"aber der iro sieht doch nicht weibisch aus."
"ja, weiß auch nicht..."
"vielleicht sollte er lieber nicht den tanzstil des objekts kopieren", kichere ich.
"diesen pseudo-elvis-hüftschwung?"
"elvis-hüftschwung... das ist doch kein elvis-hüftschwung, das ist eher ein hüftwackeln!"
"elvis mit hüftprothese!"
wir biegen uns vor lachen.

"wir könnten noch ein bisschen da runter gehen", zeigt der architekt irgendwann richtung westen.
"oh nee", sagt k., "nicht mehr laufen. ich bin langsam echt müde."
"wie spät?" frage ich.
"gleich halb acht."
"ich will auch lieber ins bett", jammere ich.
"dann geht ihr beide mal schön schlafen, jaja!" zwinkert h. wissend.

k. nimmt mich an der hand und zieht mich auf die straße. wir halten ein taxi an und fahren zu k.
"scheiße", sagt k., als der fahrer vor seiner haustür hält. "mein geld ist weg."
"wie, weg?"
"der geldbeutel... da waren 50 euro drin."
"scheiße", sage ich. "aber warte mal, ich hab noch nen zwanni, ich kann das bezahlen."
"das ist mir aber total unangenehm", erwidert k.
"keine sorge, du hast mir doch mal taxigeld geliehen und wolltest es dann nicht zurückgezahlt haben. also lade ich dich heute ein, und dann sind wir quitt."
k. lässt sich breitschlagen, der taxifahrer seufzt erleichtert, dass er auf seinen 10 euro fahrtkosten nicht sitzenbleibt, und ich freue mich, als ich mich endlich in k.s himmelbett sinken lassen kann.

als k. mich auszuziehen beginnt, setze ich mich wieder auf, nehme meinen mut zusammen und bitte ihn:
"können wir bitte einfach nur schlafen und ein bisschen kuscheln?"
k. stutzt kurz, grinst dann aber und sagt:
"ich habe mich sowieso gerade gefragt, ob ich nach so viel bier und tequila noch einen hochkriegen werde."
"na dann", atme ich auf.

als wir nebeneinander liegen und k. mich in den arm nimmt, sind wir noch eine weile wach.
"du machst mir angst", sagt k. dann plötzlich.
"warum?"
"deine krankheit. deine depressionen..."
ich muss lachen.
"ich bin immer noch dieselbe. es gibt jetzt nur einen namen für meine verfassung."
"das tut mir leid."
"was? dass ich depressionen habe?"
"dass du so ein trauriger mensch bist."
ich begreife, dass k. mehr meint und sieht als das akute stoffwechselchaos in meinem gehirn.
"tja, das musst du entschuldigen", sage ich.
"quatsch. das ist nichts zum entschuldigen. ich hätte mir nur für dich gewünscht, dass du ein bisschen mehr glück und spaß im leben hast."
"den seinen gibts der herr im schlaf. andere müssen sich hingegen den arsch aufreißen, um über die runden zu kommen."
"aber das ist unfair. ich meine, ich hab auch 35 jahre echt pech gehabt... mit meinen bescheuerten eltern, mit meiner scheidung... mit meinen jobs... aber die letzten jahren waren super. mir geht es gut. das würde ich dir auch wünschen."

da krieche ich ganz nah an k. heran und lasse mich von seinem festen griff umschließen, bis ich mich nicht mehr bewegen kann und ich mich geborgen fühle wie ein ungeborenes kind im engen, warmen mutterleib.
"und bitte weck mich, wenn ich schnarche", murmelt k. noch, dann beginnt er auch schon, leise zu schnorcheln und im halbschlaf zu zucken, und ich entspanne meine glieder und überlasse meinen erschöpften körper einem äschernen schlaf.