Sonntag, 31. Juli 2011
run, baby, run
samstagabende mit multiplen ausgehoptionen bringen den vorteil mit sich, dass man einander aus dem weg gehen kann. so lautete die gestrige entscheidung: club1 oder club2? ich checkte vorsichtig bei der objektexwiederfreundin an, wie der ausgeh-fokus des abends stand, um dann scheunigst die entgegengesetzte richtung einzuschlagen.

die objektexwiederfreundin hatte einst den wunsch club2 geäußert, erinnerte ich mich, doch nun erfuhr ich, dass das objekt das club1-wohnzimmer bevorzugte - und was das objekt wünschte, war natürlich gesetz. hin und wieder hatten wir es entgegen seinen willen auf andere parties mitgeschleift, wo es dann jedesmal innerhalb einer stunde stillschweigend spurlos verschwand. in solchen fällen lief immer das gleiche: man suchte es stundenlang, dann begann man sich zu sorgen und einander vorwürfe zu machen, weil man ja nie wissen konnte, ob das objekt nicht gerade mit der nadel im arm in einer dreckigen toilette das zeitliche segnete. das objekt formte so ganze abende, ohne dass man sich dem widersetzen konnte.

"kommst du vorher noch bei uns vorbei?" fragte die objektexwiederfreundin.
ich redete mich raus: kopfschmerzen, arbeitssuche, schlechte laune und meldete mich auch gleichzeitig für den club ab.
ich merkte, dass die objektexwiederfreundin keinen bock auf den club1 hatte und dass die negative energie der diskussion darum noch im raum hinter dem telefonhörer stand.
"ja schade", fand die objektexwiederfreundin. "ich hätte irgendwie das bedürfnis gehabt, dich zu sehen."
mir wurde warm ums herz. aber ich wollte das objekt nicht sehen, schon gar nicht nach der letzten nacht des gegenseitigen ignorierens.

als ich unter der dusche stand und die painkiller langsam zu wirken begannen, klingelte erneut das handy. es war die drittefreundin.
"wir gehen doch in den club2", trällerte sie.
"wieso? ich dachte, der dritte ist krank?"
"ach, der. als ihm einfiel, dass heute club2 ist, hat er sich spontan für gesund erklärt und will jetzt unbedingt noch hin."
für eine 21-jährige klang die drittefreundin manchmal ungeheuer altklug und mütterlich.
"das heißt, ihr seid definitiv da?"
"ja, so etwa in einer halben stunde, also so gegen halb zwei."
"ich beeile mich, aber ich denk mal, bei mir wird das bestimmt zwei."

ich machte mich in windeseile fertig und schwang mich aufs rad. ich musste einmal quer durch die stadt, und das mit kaputter bandscheibe. aber besser alleine auf dem rad als in der u-bahn mit lauter besoffenen vollspacken, sagte ich mir.

als ich über die wackelige hängebrücke den club2 enterte, sah ich schon gleich die drittefreundin. sie winkte mir, dann fielen wir uns in die arme.
"schön, dich zu sehen", sagten wir wie aus einem mund und mussten lachen.
"du, ich muss dir was sagen", wisperte die drittefreundin.
"was denn?"
"die objektexwiederfreundin ist auch da."
ich staunte.
"aber ohne das objekt", raunte die drittefreundin.
ich machte tellergroße augen.
"klingt, als gäbe es jetzt gleich die üble geschichte dazu."
"du ahnst es."
"erzähl, du kannst es eh nicht für dich behalten."
"also: die objektexwiederfreundin wollte eigentlich ursprünglich hierher kommen."
"ich weiß."
"dachte ich mir. naja, dann wollte das objekt aber nicht, sondern wie immer in den club1. die objektexwiederfreundin hatte dann eingelenkt und wollte mit in den club1 kommen."
"weiß ich alles. und dann hat sie umentschieden?"
"genau. und du weißt, sie ist ja nicht aus hh und kennt sich hier überhaupt nicht aus. das objekt versprach ihr, dass er sie bis zur bahn bringt."
"die s-bahn liegt ja eh halb auf dem weg zum club1."
"eben."
dann, so die drittefreundin, sei die objektexwiederfreundin ausgehfertig in den schuhen gestanden, während das objekt sich den x-ten joint des abends drehte und meinte, er habe jetzt keinen bock, sie zur s-bahn zu bringen, sie könne ja auch den bus nehmen.
"und dann irrte die objektexwiederfreundin durch die gegend und suchte den bus, der ja eh nur alle 20 minuten fährt. es hat ewig gedauert, bis sie wenigstens endlich mal an der s-bahn war."
"das klingt ja nach ganz, ganz großer liebe", stellte ich trocken fest.
"das ist so ein mieses schwein", regte sich die drittefreundin auf.
"nunja", sagte ich. "wenn es sonst stimmt, würde ich mich jetzt an so einer situation nicht aufhängen. männer sind so. und kiffer sind gleich noch mal viel schlimmer. allerdings sind die doch jetzt erst seit zwei wochen wieder zusammen. da fehlt mir jetzt schon so ein bisschen die verliebtheit..."
"ich weiß echt nicht, was das für ein komisches verhältnis ist", schüttelte die drittefreundin den kopf.

dann ging sie an die bar, wo der dritte auf seine cola wartete und sich mit einem bekannten unterhielt.
"hallo!" sagte eine stimme.
ich fuhr herum.
da stand die objektexwiederfreundin und strahlte mich verwundert an.
"morphine, du hier?"
"ääähhhh.... ja", stammelte ich. mist. was sag ich ihr nur, nachdem ich vorhin alle aktivitäten abgeblasen hatte?
"gehts dir wieder besser?"
"ja, die schmerzen wurden ganz plötzlich besser... ich hatte mich noch mal hingelegt, manchmal drückt man dadurch ja wieder was in die richtige richtung..."
die objektexwiederfreundin guckte lieb, aber traurig. ich hatte den wunsch, ihr alles zu erklären, aber ich hielt die klappe. der rückzug hatte ja schließlich genau den sinn, dass die beziehung durch mich ungestört weiter funktionieren konnte.

"das objekt ist übrigens nicht da", informierte sie mich dann.
"ich habs schon gehört", erwiderte ich. "keine schöne geschichte. komische beziehung habt ihr da."
"beziehung", schnaubte die objektexwiederfreundin verächtlich.
"naja, oder wie das objekt sowas halt nennt. feste freundin, glaub ich, hat es mal über dich gesagt."
die objektexwiederfreundin sah mich an. dann lehnte sie erschöpft den kopf an meine schulter.
"ach du... ich weiß auch nicht. ich glaube, das ist eh alles irgendwie am ende."
ich sagte nichts.
"manchmal wäre ich am liebsten du", meinte die objektexwiederfreundin.
ich erschrak.
"warum das denn?"
"du bist seine engste vertraute, es sagt dir alles ... du kennst es... du verstehst es... du bist auch so..."
ich staunte bauklötze. was hatte die objektexwiederfreudin denn für ein verklärtes bild von mir?
"das halte ich für ein gerücht", sagte ich. "und vielleicht wird es ja wieder."
die objektexwiederfreundin starrte aufs wasser.
"da ist nichts mehr. gar nichts. er schläft nicht mal mehr mit mir."
ich dachte nach und erinnerte mich an meine eigene objekterfahrung.
"vielleicht hat er gerade nicht das bedürfnis. vielleicht möchte er die körperliche nähe, aber ohne sexualität. er sagt, manchmal fühle er sich vollkommen asexuell."
dass dies üblicherweise nach besonders fick- und drogenreichen wochen der fall war, unterschlug ich mal. dass ich wusste, dass das objekt den sex mit der objektexwiederfreundin grundsätzlich eher scheiße fand, erwähnte ich natürlich auch nicht.
"in meinen augen ist es vorbei."
ich sah die objektexwiederfreundin erstaunt an. so viel klarheit in einem einzigen satz verblüffte mich.
"ich werde auch heute nacht nicht mehr dort schlafen", fuhr die objektexwiederfreundin fort. "ich bleibe beim dritten und der drittenfreundin."
"mach das so", nickte ich.
wir saßen schulter an schulter vor dem club und sahen auf drei schlafende enten im wasser. ich wusste, es gab keine worte, die jetzt zu trösten vermochten, aber es war gut, hier zu sein.

später wurde der abend noch sehr fröhlich. die musik war exzellent und wir tanzten viel. die objektwiederexfreundin flirtete mit einem jungen hoschi. irgendwann verabschiedeten sich die drei. ich blieb noch, bis die sonne aufging.

als ich zum fahrrad wankte und den schlüssel suchte, fiel mein blick auf mein handy.
das objekt hatte vier mal angerufen.