Dienstag, 8. Dezember 2015
schwitzehändchen und andere unappetitlichkeiten
am wochenende ist kino mit dem mann angesagt. 96 minuten ernsthaftes kulturkino, doch zum glück ist der mann für so etwas aufgeschlossen. wir holen uns noch einen wein, dann lassen wir uns in die plüschigen sessel fallen. film ab.

kaum sitze ich bequem, nimmt der mann meine hand. ich hab nichts gegen händchenhalten, zumindest nicht für mal eben kurz. allerdings hält sie der mann so ausdauernd fest, dass mir irgendwann das handgelenk wehtut. also entziehe ich dem mann die hand. meine handfläche ist ganz schweißig und ich muss neurotisch nachdenken, wessen schweiß da jetzt wohl klebt, ob ich unverhältnismäßig stark an den händen schwitze oder der mann, oder ob es ganz normal ist, wenn man eine viertelstunde oder so die finger zusammenpappen hat. ich habe ekel, versuche diesen angestrengt kognitiv zu überwinden und verpasse so ein ganzes stück film. was mich ärgert.

der mann ist mir nicht böse. er beginnt, mit der freigewordenen hand meinen rock hochzuschieben und mein bein zu streicheln. dabei schaut er mich von der seite an. ich weiß, er möchte damit meinen blick einfangen und mir einen kuss geben. ich hingegen möchte den film sehen, küssen geht ja auch später noch, also schaue ich stur weg. der mann starrt noch ein paar augenblicke, dann wendet er sich wieder der leinwand zu.

die hand wandert immer höher. da mich der mann nicht anmacht, packe ich seine hand irgendwann und platziere sie auf seinem bein. dort bleibt sie zwei sekunden, bevor sie wieder auf mein bein zurückkehrt und dort weiterstreichelt. und zwar ohne unterbrechung. ich versuche mich zu entspannen. es funktioniert nicht. die pausenlose beinfummelei hat den effekt der chinesischen wasserfolter. ich bin kurz davor, wie rumpelstilzchen zu explodieren. aber wir sind im kino, das heißt, vermutlich am falschen ort für hitzige diskussionen über ein kompromisshaftes ausmaß an körperkontakt.

ich denke stattdessen weiter angestrengt nach. es ist mir klar, dass mich der mann wenig bis gar nicht anzieht. es gefällt mir, dass er verliebt in mich ist. es gefällt mir, dass er klug ist und wir uns gut bis sehr gut unterhalten können. am meisten gefällt mir, dass er bereit ist, eine offene beziehung zu führen. das bedeutet nach seiner definition: sex und ab und an fremdficken. das bedeutet nach meiner definition: ich hole mir den sex woanders, und zwar ausschließlich. hin und wieder fühle ich mich unfair. meistens aber denke ich, ich kann ja nichts dafür, dass er so unsexy ist.

ich denke an das objekt und ob unsere aktuellen begegnungen die sexyness des mannes weiter einschränken. ich überlege weiterhin, wie es sich anfühlen würde, wenn das objekt eine stunde lang mein bein streicheln würde, und komme zu dem schluss, dass ich das genauso unangenehm fände. ich überlege, was das objekt sagen würde, würde ich ihm eine stunde lang das bein streicheln. vermutlich würde es ausrasten und anschließend den rest seines lebens autistisch verbringen.

als der film zu ende ist, bin ich vor lauter geistiger abwehrarbeit gegen meinen zunehmenden ekel schweißgebadet. meine ohren klingeln, mein rücken ist total verspannt und vom film habe ich nichts mitgekriegt, außer das, was ich schon nach dem trailer wusste.

ich habe das dringende bedürfnis, sehr viel alkohol zu konsumieren, und da alkohol auch eine große schwäche des mannes ist, landen wir kurz daraufhin noch in einer bar. dort setzt nach zwei drinks der bekannte alkoholeffekt ein, nämlich dankbarkeit, dass mich überhaupt jemand liebt. die dankbarkeit zieht sich wie rotz um mein aufgeregtes herz und verschleimt mir die sinne. dann torkeln wir zur bahn, sagen uns tschüß und ichrufdichan.

auf dem nachhauseweg machen sich erste löcher der nüchternheit bemerkbar, und ich fühle mich schuldig und beschmutzt. dann habe ich plötzlich einen lichten moment und denke, wie egoistisch von dem mann, mich so als streicheltier zu benutzen, um seine geilheit zu befriedigen, und auf einmal tue ich mir so leid, dass ich zu weinen beginne.

zuhause im bett schwöre ich mir, keine typen mehr, jetzt aber wirklich nicht mehr, weder für sex noch für irgendwas anderes, und dass ich nun einfach nicht mehr ans telefon gehen werde, wenn der mann oder sonstwer anruft.

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