Montag, 5. August 2013
come closer, and let me go
das objekt hält sein versprechen und wir sehen uns vor dem club in der bar. das objekt gibt mir einen aus und setzt sich mir gegenüber.
ich habe ein bisschen angst, weil ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. das objekt ist sehr ruhig, ernst und gefasst und meint dann:
"du, wenn ich was auf dem herzen habe, dann kann ich auch nicht gleich so frei raus damit. also lass dir zeit und wenn du rumstottern willst, tu es einfach, ich bin auch kein großer redner."
das klingt so lieb, dass ich noch verlegener werde, doch ich raffe mich auf:
"das lässt sich alles in drei bis fünf sätzen sagen, so schwierig ist das nicht."
"dann mal los", lächelt mir das objekt zu.
"naja, du erinnerst dich an unser treffen im märz, das war ja sehr schön, also zumindest für mich..."
"nicht nur für dich", wirft das objekt ein.
"da habe ich gemerkt, dass mir das zu viel emotion wird, von meiner seite."
"du meinst..."
"ich liebe dich und du liebst mich nicht, und das musste ein ende haben."
"aber..."
"sag einfach nichts."
"ich finde das sehr schön!"
"aber es führt doch zu nichts."
da blickt das objekt auf den tisch und meint:
"nein, da hast du wohl recht. weil in ein paar monaten ziehe ich mit der gespielin zusammen."

mich trifft die nachricht wie ein faustschlag, aber ich versuche, mich zu fassen und mein anliegen zum ende zu bringen.
"ich wollte dann mit dir abschließen und meine sachen zurück. du weißt, es geht mir nicht um dinge und ihren materiellen wert oder ums prinzip, aber es hätte mir geholfen, die dinge geordnet zu wissen. ich habe ja dein zeug auch nicht einbehalten. einfach, weil ich es nicht mehr in meiner wohnung haben wollte."
"ich hatte mich schon sehr gewundert", erwidert das objekt, "du warst sehr emotional, das kenne ich gar nicht von dir. und dass du so hartnäckig geblieben bist... du hast mich tierisch genervt, aber ich war auch fasziniert davon."
"und was hat dich gehindert, einfach mal drauf einzugehen?"
"ehrlich gesagt, hatte ich keine ahnung, was ich zu deinen nachrichten sagen sollte und es war mir auch nicht klar, was das mit dem sachen-zurückgeben genau bezwecken sollte. ich dachte, es geht dir vielleicht um den kontakt. und als du dann was von anwalt schriebst, ist mir auch die hutschnur hochgegangen. wo ist denn da bitte die verhältnismäßigkeit?"
"es gibt keine. ich hab dich gehasst. sehr sogar."
die objektaugen werden groß.
"so kenne ich dich gar nicht", sagt es zum zweiten mal an diesem abend.

wir reden uns unsere wut und ressentiments von der seele. das objekt legt auch ein paar gründe für sein verhalten auf den tisch: die fieberhafte wohnungssuche, weil ihm das wohnheim den vertrag gekündigt hatte, renovierung der jetzigen bruchbude zum neuen liebesnest, immer wieder zweifel an den zusammenzieh-plänen, ein urlaub mit dem sohnemann sowie die tatsache, dass er dem sohnemann sein handy geschenkt hatte.
"hätte mich der lütte nicht angerufen und gesagt, mensch papa, was hast du denn gemacht, die morphine schreibt was von anwalt, dann säßen wir hier gar nicht."
"kluges kind."
"naja, dann hab ich mein handy zurückgefordert und dachte mir so, hey, du denkst am ende, ich bin ein arsch, mir geht einer bei ab, deine situation auszunutzen..."
"genau das habe ich gedacht."
"dass du so von mir denkst!"
"es lag nahe. wenn man fünf monate lang nichts von jemandem hört, mit dem man nicht im guten auseinandergegangen ist, dann denkt man das."
"bei dir piept´s ja."
"weißte doch."
da muss das objekt lächeln.
"nein, du bist mir nicht egal, die situation war mir nicht egal, aber ich hatte keinen kopf dafür, mich damit auseinanderzusetzen. und ich wollte mich richtig auseinandersetzen, so wie heute, nicht dir einfach dein zeug irgendwo hin werfen und es damit gut sein lassen."

das objekt war ein freundlicher mensch, das musste ich ihm lassen.
"manchmal denk ich ja, ich bin zu nett", sagt das objekt aus dem zusammenhang gerissen. "aber ich finde, du hast es verdient, dass ich dich nicht ankacke. du hast es schwer genug."
"das hab ich ja schon ein paar mal gesagt, das ist deine gabe. du schenkst einem, wenn du mal da bist, so viel warmherziges interesse... so viel geborgenheit... und dann bist du wieder weg. das verletzt ungemein. auch der dritte sagte mir gestern, dass ihm das immer wieder wehtäte und er sich da nie dran gewöhne."
das objekt schweigt, denkt nach und fragt dann:
"was bin ich denn für dich?"
"hab ich lange drüber nachgedacht. wir hatten fantastischen sex, aber das ist es nicht. du warst mir in schwierigen situationen ein echter freund, aber das ist es auch nicht. nun bin ich drauf gekommen, dass du der vater bist, den ich mir gewünscht hätte. du kennst mich, ohne dass ich was sagen muss, du warst in entscheidenden situationen für mich da und ich hatte vielleicht zum ersten mal in meinem leben einen menschen an meiner seite, dem ich alles zumuten durfte und konnte und der mein totales vertrauen genoss."
ich warte darauf, dass das objekt mich auslacht, aber das tut es nicht.
"du hast dir jemanden gewünscht, der einfach nur für dich da ist."
"exakt. keiner, der mich fickt. du wärst der erste mensch gewesen, mit dem ich vielleicht gerne alt geworden wäre."
da nimmt das objekt meine hand und sagt gerührt:
"danke. das hat mir noch nie jemand gesagt. danke für deinen mut, das war gerade wahrscheinlich nicht leicht für dich."

wir schweigen, rauchen, leeren den zweiten drink. dann fragt das objekt:
"und was wünschst du dir jetzt?"
ich überlege:
"das kann ich dir schwer sagen. dieses gespräch hatte nicht das ziel, irgendwas zu definieren. ich weiß nicht, ob wir noch befreundet sein sollten. ich hatte ja geschrieben, dass, wenn ich dich loslasse, uns nichts mehr hält. ich meine, ich merke, dass ich dich immer noch unheimlich mag, aber, ob du willst oder nicht, du bist ein teil meiner depression. du hast versucht, mir zu helfen und ich habe dich als fluchtpunkt missbraucht. du hast mir nährboden für illusionen gegeben, die unhaltbar waren. und ich kann dir nicht vorhersagen, wie ich mich künftig auf dich beziehen werde."
das objekt schaut betroffen in die unbestimmte ferne und schweigt.

gegen zwei ziehen wir weiter richtung club. vor der tür nimmt mich das objekt bei beiden schultern und sagt eindringlich:
"morphine! egal, wie du dich entscheidest: du bist mir nicht egal. und ich will, dass du weißt, dass du mich immer ansprechen kannst, egal, was du auf dem herzen hast. ich weiß, ich habe mich nicht immer richtig verhalten und es tut mir leid."
"mir tut´s auch leid."
da zieht mich das objekt in seine arme und hält mich für einen moment sehr fest.
"komm, lass uns reingehen", sagt es dann.

drinnen sind alle meine freunde anwesend, es ist überhaupt brechend voll und eine tolle stimmung. aber ich stehe außerhalb, hab das objektgespräch im kopf und gehe kurze zeit später nach hause, ohne mich zu verabschieden.

zuhause wartet die püppirella auf mich. während ich sie streichle, fallen meine tränen auf ihr fell und sie springt entsetzt zur seite. ich muss ein wenig lachen und dann doch wieder weinen, also nehme ich die katze mit ins bett, bis ich mich beruhigt habe und dem plüschmonster langweilig wird.

die letzten tränen versickern im kopfkissen. dann schlafe ich ein und träume, dass ein zug auf mich zurast und ich mich in eine mulde neben den gleisen kauere, während die waggons bedrohlich nah und laut an mir vorbeirauschen.
aber ich überlebe, irgendwie. auch als ich später erwache, bin ich noch immer ein atmendes, lebendiges wesen auf dem weg nach irgendwo.

... link