Mittwoch, 17. April 2013
burg und bett
als ich sonntag lande, schreibt mir auch schon der kleine punk. er hat herausgefunden, wo ich wohne und will sich mit mir treffen. ich bin geschmeichelt über so viel engagement, vertröste ihn aber auf den nächsten tag.

am montag verabreden wir uns zum kneipenbesuch. ich hole den kleinen punk mit dem fahrrad ab. zum ersten mal sehen wir uns nüchtern. er ist ein langes, dürres elend mit einem jungenhaften, hübschen gesicht. hübscher als ich es in erinnerung hatte. ich starre ein bisschen zu lange, er lächelt entschuldigend und verschmitzt zugleich:
"bist du jetzt enttäuscht?"
"nein, du bist einfach sehr jung", sage ich. "ich fühle mich gerade wie ne alte frau neben dir."
er lächelt ein lächeln, das ich nicht deuten kann, also machen wir uns einfach auf den weg.

nach einer knappen halben stunde kommen wir am ziel an. die kneipe ist voll, alle leute sitzen auf der straße. ich hole uns bier, weil der kleine chaot nur zwei euro in der tasche hat und total pleite ist. ihm ist das unangenehm, doch er freut sich.
"das ist der vorteil an alten damen, die können sich schon selber versorgen", sage ich.

wir sitzen nebeneinander auf dem pflaster im dreck, trinken, grinsen verlegen und gestehen einander dann ein, dass man jetzt gerne was zu rauchen hätte. das bricht das eis und die unterhaltung kommt ins fließen. der kleine punk beobachtet mich dabei sehr vorsichtig wie ein seltenes tier unter dem mikroskop. ich fühle mich blank, bin mir meiner falten und augenringe überdeutlich bewusst.

dann werden wir vom bürgersteig gekehrt, weil es 23 uhr ist und die anwohner sonst wegen der lärmbelästigung auf die barrikaden gehen.
"wohin?" frage ich.
"lass uns doch zur burg hinaufgehen", schlägt der kleine punk vor.
einträchtig schieben wir die räder nebeneinander her und sagen nichts.
"du sagst gar nichts", stellt der kleine punk irgendwann fest.
"gemeinsames schweigen kann von enormer zwischenmenschlicher qualität sein", konstatiere ich.
der kleine punk schaut mich bewundernd an:
"du sagst immer so schöne, kluge sachen."

oben angekommen stehen wir an der burgmauer und schauen auf die stadt. ich merke, wie unsere körper sich näherkommen, wie sich erst unsere ellenbogen, dann die schultern berühren. die nacht ist lauschig und ich kann seinen duft schnuppern. kein parfum. kein rasierwasser. einfach nur dieser jungsgeruch. schlicht und schön.

auf dem rückweg tut der kleine punk, als würde er stolpern, fängt sich an mir auf, nimmt mich dann kurz in den arm und lässt mich gleich wieder los. seine augen blitzen, dann schaut er verlegen zur seite. ich muss an den dritten mann denken, der zwei jahre jünger als der kleine punk ist. auch er ist ein meister dieser kurzen blicke, dieser augenblitze.

weil der kleine punk am nächsten morgen früh uni hat, radeln wir kurz darauf wieder gen grüne vorstadt. ich setze den kleinen punk zuhause ab.
er nimmt mich zum abschied kurz in den arm und sagt dann schüchtern:
"möchtest du mich mal besuchen?"
ich muss grinsen und nicke.
der kleine punk strahlt zurück und gibt mir einen kleinen kuss, weicht dann aber respektvoll zurück.
"wann?" fragt er.
"hm, donnerstag?" sage ich.
"hm", guckt er betrübt. "wie wär´s mit morgen?"
ich muss lachen.
"von mir aus."
"aber nicht so früh", rudert der kleine punk zurück, "ich muss erst noch aufräumen."
ich haue ihm auf den hintern und ziehe vondannen.

am abend darauf schlage ich bei dem kleinen punk zuhause auf. offenbar hat er aufgeräumt, für mich nicht erkennbar, aber er steht in seiner butze und sagt schwärmerisch:
"so schön leer hier jetzt."
er zeigt mir seine reptiliensammlung, dann macht er tee und kocht für mich.
"wow", sage ich, "du legst dich aber ins zeug."
"du hast doch mal gesagt, du magst gutes benehmen."
"du erinnerst dich an viel, was ich mal so gesagt habe."

wir essen auf dem balkon, dann sitzen wir rum und starren in die kerze, die der kleine punk angezündet hat. irgendwann rutscht der kleine punk etwas näher und gibt mir einen kuss. und noch einen. dann schaut er wieder unsicher, bis ich frage:
"willst du dich ankuscheln kommen?"
der kleine punk nickt ernst. ich breite meine arme aus und er kuschelt sich an meine brust. als ich ihm über das wirre haare streiche, schließt er die augen und klammert sich an. ich streichle sanft sein gesicht und seinen nacken, während er ein glückliches lächeln lächelt.

dann greift er meine hand und nimmt sie in seine, lässt die finger über mein handgelenk und dann den arm hinauf wandern. ich kriege erst gänsehaut und dann das große kribbeln. ziemlich unvermittelt steht eine große sexuelle spannung im raum, die sich unmittelbar darauf ziemlich heftig entlädt. der kleine punk zieht mich nach drinnen, wo wir uns die klamotten vom leib fetzen und auf der couch niedersinken. der kleine punk kommt nach ungefähr zwei minuten, während mir plötzlich auffällt, dass er mich in der gleichen stellung fickt wie zuletzt das objekt. schwupp, ist mein kopf woanders und ebenso schwuppdiwupp bin ich entlarvt.

"woran denkst du", löchert mich der kleine punk.
"nichts weiter."
"doch, du denkst an was und wenn ich richtig liege, war das nichts gutes."
ich schweige.
"also du musst es nicht sagen", schiebt der kleine punk nach. "aber ich frage mich natürlich schon, was deine obsessionen und auch deine narben auf der seele sind."
"okay, wenn du es so dringend wissen willst: ich hatte vor ein paar wochen sex mit jemandem, der eigentlich mein bester freund war und dem ich die freundschaft jetzt aufgekündigt habe, weil ich das so nicht wollte, obwohl ich den sehr gerne hatte."
"ist immer doof, so ne situation", sagt der kleine punk gelassen. "meine exfreundin war auch immer eifersüchtig auf meine weiblichen freunde... klar liegt da immer ne spannung in der luft und ich glaube, das ist auch der grund, warum ich so gerne frauen als freunde habe."
"ich habe mehr männer als freunde. wobei viele davon exficker sind."
der kleine punk grinst:
"ist bei mir ähnlich."

"find ich cool, dass du so entspannt bist. ich mag keine eifersüchtigen männer. sowas erdrückt mich", erkläre ich.
"wir sind ja in keiner beziehung", führt der kleine punk aus. "also wenn ich mich dann mal dafür entscheide, dann will ich auch treu sein. sonst kann man das ja gleich lassen."
"klingt, als glaubtest du noch an die große liebe."
"ja, klar. du nicht?"
"nee, nicht mehr."
der kleine punk schaut ein bisschen entsetzt, also schiebe ich nach:
"aber ich finde das total schön, dass du das noch kannst. aber ich hab zu viel erlebt und ich merke das daran, dass ich mich auch nicht mehr verlieben kann."

da nimmt mich der kleine punk einfach in die arme und hält mich ganz fest, bis ich mich entspannt habe und schläfrig werde.
"wollen wir ins bett?" fragt er.
"ich bleibe nicht bei dir, ich fahre nach hause."
der kleine punk ist ein bisschen enttäuscht, aber ich halte an meinen vorsätzen fest, nicht zu viel nähe, bloß nicht wieder so eine objektgeschichte.

auf dem fahrrad atme ich tief durch, fülle meine lungen mit dieser duftenden frühsommernacht und halte dieses unglaublich schöne gefühl fest, das da langsam pulsierend aus meiner brust richtung kopf steigt.

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