Samstag, 19. Januar 2013
reich und unsexy
die auftragslage explodiert. gleichzeitig zum stress im büro häufen sich plötzlich die anfragen. hier eine filmkritik, dort ein sponsoring-kampagne und ganz nebenbei bringt der architekt eine möbellinie heraus und hat mich als marketingbeauftragte erwählt.

arbeiten am wochenende finde ich immer ein bisschen traurig. aber es muss ja. und die möbelgeschichte ist mit jeder menge angenehmer meetings in teueren restaurants verbunden. da sitze ich dann mit anzugträgern im meinem kapuzenpulli und den kampfstiefeln und scheiße klug. meine authentizität kommt gut an. es stimmt nicht, was man(n) mir einst prophezeite: dass alles vom richtigen outfit abhängt. hier zählen inhalte, und inhalte kann ich. ich muss mich nicht verkleiden und verleugnen.

ganz nebenbei habe ich tatsächlich mal ein bisschen geld beisammen und kaufe ein paar einrichtungsgegenstände für meine karge wohnung.
"na du geschäftsfrau", begrüßt mich das objekt, das verdammt stolz und natürlich auch ein bisschen neidisch ist, weil ich wegen der möbelkampagne viel mit seinem erzfeind zusammenhänge.
dafür habe ich an den herzenswunsch des objekts gedacht und ihm einen mp3-player gekauft. beim überreichen verstummt das objekt, wird blass und rot und kriegt zunächst kein danke heraus. doch dann umarmt es mich ganz fest und stottert:
"du... du bist so ein toller mensch. sowas hab ich mir schon so lange gewünscht. aber es ist mir peinlich, dass du dich wegen mir in unkosten stürzst."
"du bist es mir wert. du weißt, du bist der mensch, der mir hier am nächsten steht und obwohl wir in keiner klassischen beziehung sind, hast du all meinen exlovern längst den rang abgelaufen."
das objekt ist noch immer verlegen.
"ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... ich habe das gefühl, das ich das gar nicht verdient habe... und es tut mir so leid, dass ich so ein schlechter danke-sager bin."
"aber du freust dich doch, das sehe ich."
"ja, und wie!" die augen des objekts leuchten wie die seines lütten, wenn er mit mir am computer spielen darf oder wir etwas aufregendes unternehmen.

das einzige, was mich tierisch nervt, ist die ständige immense müdigkeit. sie schlägt auch auf die libido. anfassen verboten. alle prozesse sind derzeit geistiger natur und manchmal seelischer. kreischgeburten, nennt das objekt das, und mahnt mich, meine kinder lieb zu haben, damit sie sich nicht eines tages wieder gegen mich wenden.

die psychopharmaka helfen dabei, mich zu strukturieren und den herausforderungen einigermaßen angstfrei zu begegnen. mein psychologe ist mir hingegen immer weniger eine unterstützung. ich will die handlungsebene erreichen, konkrete hilfestellungen für den alltag, aber mehr als ein "da müssen sie schauen, wie sie das machen" kommt bei den antworten auf meine fragen nicht heraus. ich bin schlecht darin, mir zauberformeln zu basteln, die mich vor dem großen absturz bewahren, die verhindern könnten, mich in drogen und alkohol zu ertränken. und ich finde nicht, dass das objekt das immer alles übernehmen muss, während ein anderer dafür bezahlt wird, der aber nur stories über meine familie und meine kindheit hören will.

dennoch, ich bin gespannt. es liegt ein elektrisches summen in der luft, wie man es in der nähe von strommasten manchmal hören kann. es könnte tatsächlich etwas passieren...

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