Sonntag, 23. Dezember 2012
love, love, love
mit diesem beatles-hit im kopf aufgewacht. draußen schnee. schon wieder. ohgottohgott, denk ich mir und verbessere mich dann sogleich in gedanken: ohpetrusohpetrus.

dann fällt mir ein, dass das objekt ja später vorbeikommen wollte. schlagartig bessert sich die laune und ich beschließe, mal was schönes zu machen. schwimmen gehen.

um 14 uhr, einer zeit, um die ich mich sonst oftmals erst aus dem bett schäle, radle ich im eisregen in die schwimmhalle. zwischendurch wird es mir ein bisschen zu viel eisregen, die bremsen setzen aus, also nehme ich den bus.

im schwimmbad dann das große glück, dass bis auf ein paar dicke türkische männer und ein paar tätowierte russen niemand anwesend ist. ich ziehe eine weile meine bahnen, dann gibt es dampfbad und whirlpool. dort sitzt ein blonder junger mann, der mir bekannt vorkommt. er guckt, ich gucke, ich schwimme ans andere ende des beckens, er folgt mir.

"sorry, dass ich so starre", wage ich dann den ersten schritt. "aber ich kenn dich doch."
"wir haben uns anfang des jahres kennen gelernt, hier, im whirlpool."
"stimmt!" fällt es mir wie schuppen von den augen.
der junge typ lächelt.
"ich weiß aber nicht mehr, wie du heißt", sagt er dann.
"ich doch auch nicht", erwidere ich lachend.
wir gucken uns an und grinsen wie die osterhasen, dann nimmt der typ meine hand und zieht mich nach draußen.
"lust auf eine runde aufwärmen?"

wir gehen noch mal ins dampfbad, und da sind wir alleine. der typ küsst mich wie aus dem nichts. dann kommen drei alte tanten rein und starren uns an. also flüchten wir wieder in den whirlpool, den wir ganz für uns alleine haben. der typ rutscht nah an mich heran, und mein hirn beginnt zu rattern: gut? schlecht? wohin führt das und will ich das?

die küsse leisten überzeugungsarbeit, also vögeln wir in der umkleidekabine. der typ ist ziemlich laut und ich rechne jeden moment damit, dass jemand klopft und uns auffordert, subito das schwimmbad zu verlassen und nie wieder zu kommen. doch als wir fertig sind und vorsichtig aus der tür linsen, stehen da nur die drei dicken türken und grinsen sehr breit.

der typ will mich wiedersehen, oder vermutlich eher wieder ficken. also verabreden wir uns für nächste woche, same time, same place.

inzwischen ist es halb sieben uhr abends. meine hände sind vor lauter schwimmbad schon ganz schrumpelig und ich mache mich auf den nachhauseweg. im bus funke ich das objekt an und will wissen, wann es kommt. es ruft zurück und klingt komisch.
"was ist denn los mit dir?"
"ich hab geheult", sagt das objekt frank und frei.
"aber warum denn?"
"erzähl ich dir später. ich habe gerade den kleinen zu mama gebracht, ich komme gleich direkt zu dir."
"alles klar. dann so bis in einer stunde?"
"ja gut, ich freu mich."
"ich mich auch. und kopf hoch, wir reden gleich mal, ja?"

als das objekt dann bei mir im wohnzimmer sitzt, hat es rotgeweinte augen und sieht fix und alle aus. es ist mit dem rad von altona durch den eisregen gefahren und bibbert. ich packe es in eine decke und mache eine suppe.
dann setze ich mich dazu und wärme die kalten objektfüße.
"was ist los? warum hast du geweint?" hake ich nach.
ich erfahre, dass das objekt seit einer woche schuldenfrei ist. in der erwartung des 13. gehalts hat es anfang des monats den rest seiner schulden getilgt. doch dann hatte das schicksal wieder mal erbarmungslos zugeschlagen und das weihnachtsgeld war in diesem jahr bis auf einen winzigen bruchteil gestrichen worden.
"am montag hatte ich noch 16 euro auf dem konto, und ich hab ja keinen dispo mehr."

um dem kleinen was zu essen bieten zu können, hat das objekt geklaut. eine ganze woche lang.
"ich hab mich so scheiße gefühlt, aber weißt du, der kleine war immer so, oh papi, es ist doch weihnachten, kann ich das und das und oh guck mal, können wir nicht das kaufen? ich habs einfach nicht übers herz gebracht, ihm das zu verwehren."
"bist du erwischt worden."
"neeeeeeeeeein. aber trotzdem, weißt du, ich verlasse mich auf etwas, es trifft nicht ein, und dann all diese erwartungen. ich habe wieder nicht geschlafen. ich liege seit einer woche bis vier oder fünf wach und stehe ein, zwei stunden später wieder auf. arbeiten, und dann natürlich der kleine, und ständig diese ganze misere... ohne aussicht, dass es mal besser wird. ich kann einfach nicht mehr."
bei diesem worten hat das objekt schon wieder tränen in den augen.

"aber jetzt bist du erstmal hier", sage ich dann.
"ja. gottseidank."
"du bist hier immer willkommen und zuhause. ich will, dass du das weißt. auch, wenn du manchmal ein arschloch bist und ich dich hasse."
das objekt lächelt.
"ich hatte in dieser woche einen schönen tag. einen wirklich schönen tag. und das war dieser abend mit dir."
und ich spüre ein kribbeln wie schmelzwasser knapp unter dem herzen, kann nichts sagen, nur das lächeln halten und halten und halten, weil ich nicht sagen will, dito, bis das objekt irgendwann verlegen zur seite sieht.

dann essen wir und hören musik, gucken ein halbes interview und machen dies und das, bis das objekthandy klingelt und die objektgespielin dran ist.
"ich bin verabredet", sagt das objekt danach ganz offen.
"dann geh. jetzt."
das objekt starrt mich an.
"ich überlege derzeit, ob ich diese liaison nicht lösen sollte."
mein herzschlag setzt aus.
"was meinst du?"
"du fragst die falsche, ich bin absolut nicht unparteiisch", sage ich ebenso offen.
"ich will trotzdem wissen, was du denkst", bittet mich das objekt.
"ich denke, dass du so voll bist mit verpflichtungen, dass du inzwischen gar nicht mehr weißt, was du willst. und dieses wissen um den willen spielt durchaus eine rolle, man sollte immer in etwa wissen, was man will und in welche richtung es gehen soll, zumindest grob, und nur wenn der andere diese richtung mitgehen will, also nicht zu 100 prozent, aber zu sagen wir mal wenigstens 60 prozent, habt ihr eine chance."
"du siehst das genau richtig, ich weiß nicht, was ich will. ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. ich brauche echt hilfe."
"dann hol dir hilfe."
"das will ich auch. ich denke, ich brauche auch eine therapie."
"nutzt nüscht viel. die erzählen dir bloß, was du schon weißt, und das bringt dich nicht weiter. deine idee mit der umschulung fand ich besser."
"meinst du?"
"ehrlich gesagt: therapeuten bringen dir nur bei, wie du es irgendwie gerade noch mal eben so mit dem status quo aushälst. der punkt ist aber doch, den status quo zu verändern."
"ja!"
"also lass uns das machen. wir hatten doch einen plan für januar."

das objekt löffelt still seine suppe und sagt dann:
"danke."
"dafür nicht. du hast mir 100 mal den verstand gerettet und vielleicht auch das leben. und dafür hab ich dich so lieb wie noch nie einen menschen."
wir nehmen uns sehr fest in die arme und das objekt drückt mich, bis mir die luft wegbleibt.

"hast du an heilig abend schon was vor", fragt das objekt, als es sich die frischen tränen aus den augen geblinzelt hat.
"nein. außer dumm gucken und überlegen, wie ich die zeit rumbringe."
"ich hab bis 13 uhr schicht und danach zeit..."
"das heißt, du würdest gern vorbeikommen?"
das objekt lächelt.
"wir könnten was kochen", sagt es.
"okay", erwidere ich.
"ich könnte ganz viel zeit mitbringen. wir könnten filme gucken. oder raus gehen."
mir wird warm ums herz.
"das wäre ja mal famos."

wir laufen zusammen zur u-bahn, weil wir keine kippen mehr haben, dann schwingt sich das objekt in den sattel, weil sich die gespielin zwischenzeitlich schon verwundert hat, wo es denn bleibt.
ich sehe der sich entfernenden rückansicht des objekts hinterher und kann nicht fassen, dass mein weihnachten vielleicht doch noch stattfinden soll.

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ich warte


"...ich warte auf meiner eisbergspitze
am ende der physik
auf novemberhitze
und auf dinge dies nicht gibt
ich warte warte immer weiter
letztendlich auf musik..."

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