Freitag, 19. Oktober 2012
krankenlager
die lederjacke ist krank. sportunfall beim boxen, vermutlich bandscheibenvorfall. zwei zuckersüße wochen krankschreibung.

ich begleite die humpelnde lederjacke in die apotheke.
"morphine, kannst du mir erkären, was mir mein arzt da verschrieben hat?" hält mir die lederjacke zwei rezepte vor die nase.
"schmerzmittel. das eine wirkt einfach nur als painkiller, das da ist ein muskelrelaxer und das, na, das kennst du, ibu eben, das ist auch ein bisschen entzündungshemmend."
"oh nee, von ibu wird mir immer schlecht."
"na, ibu ist im vergleich zu den beiden anderen harmlos. das da sind benzos, damit wäre ich vorsichtig. das macht schummrig und wacklig und müde."
"nimmst du sowas auch?"
"naja, nicht offiziell. ich kriege das von jemandem, der in einer klinik arbeitet und mir das bei bedarf klaut."
"praktisch, praktisch."

als wir an der apotheke stehen, ist die lederjacke ganz fahl vor lauter anstrengung und schmerzen.
"danke, dass du mitgekommen bist", sagt sie.
"na hör mal. du hast mich auch schon an schlimm-depressiven tagen erlebt. und wenn ich was kenne, dann sind das rückenschmerzen."
"bleibt das so, wenn das ein bandscheibenvorfall ist?"
"ich habe eigentlich immer schmerzen. meist leichte, die merke ich nur, wenn ich länger sitze oder stehe. manchmal aber ist es auch schlimmer und ich komme morgens nicht aus dem bett oder ich habe wochenlang kopfschmerzen."
"oh gott, oh gott", stöhnt die lederjacke.
"jetzt mach dir mal keinen kopf", sage ich. "lass erstmal das mrt machen."
"da hab ich ja überhaupt keinen bock drauf."
"dann lebst du halt weiter in ungewissheit."
"du bist ganz schön schroff", findet die lederjacke.
"ist es mein körper oder deiner?" frage ich zurück.
"naja, hast ja recht. danke fürs schubsen. machst du ja auch schon bei meiner promotion."

dann wackeln wir mit einem sack pillen wieder zurück in die wg. die lederjacke ist dankbar, als ich sie ins bett dirigiere und dann die erstdosierung der medikamente übernehme.
"du weißt so viel über arneimittel", meint die lederjacke mit staunen in der stimme.
"ja, meine mom hat früher in einer apotheke gearbeitet."
"ich meine das jetzt nicht als kompliment, du."
ich puffe die lederjacke leicht in die seite, aber schon krümmt sie sich zusammen.
"aua, du bist ja brutal."
"sorry. war doch gar nicht so doll."

nachdem die painkiller wirken, meint die lederjacke selig:
"jetzt würd ich mir gern einen brennen."
"untersteh dich", warne ich.
die lederjacke sieht mich bedauernd an.
"es tut mir so leid, dass ich so langweilig bin."
"macht nichts. bei passender gelegenheit schluchze ich wieder in dein hemd oder halte dich mit meinem alptraum-gezappel nachts wach."
"okay, deal", findet die lederjacke.

dann schlummert die lederjacke ein, ich küsse sie sachte auf die wange, nehme meine jacke und mache mich leise auf den weg nach hause.

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