Mittwoch, 28. März 2012
well(en)stress im whirlpool
im büro herrscht urlaubssperre. nächster möglicher zeitpunkt für freimachen ist ende mai. da wir maximal unter stress stehen, sind wir alle kurz vorm durchdrehen. für meine eine heißt das mal wieder: gnadenlose schmerzen. da ich aber nicht komplett krank werden kann, da mich der verdienstausfall ruinieren könnte, muss ich künstlich fit halten. heißt zu deutsch: wir machen wellness!

wellness ist eine neuzeitliche erfindung, um menschen davon abzuhalten, burnout zu entwickeln. das funktioniert bedingt, da man a) genug geld und b) genug zeit für den wellness-quatsch haben muss. hat man a) und b) ist man wiederum theoretisch nicht allzu burnoutgefährdet. womit sich die maus in den schwanz beißt.

mangels a) und b) machte ich heute also c), das heißt eine ausnahme und begab mich in die geheiligten schwimmhallen, die sich da therme nennen. dort war ich früher des öfteren, als ich mich noch nicht mit sozialversagern rumtrieb und mich von behinderten schwängern ließ.

ich schwamm erst 1000 meter, um mich ein bisschen zu entspannen, dann legte ich mich in den beleuchteten blubber in der seitenbucht des beckens, auch genannt whirlpool. dort lehnte ein junger typ und glotzte mich erschreckt an. als ich auf klo ging, verstand ich auch warum: meine wimperntusche - ich kam direkt aus dem büro - war sehr offensichtlich nicht wasserfest. ich sah aus wie ein böser clown. also ordentlich geschrubbt, dann ging es einigermaßen.

weil mir ständig kalt ist, seitdem ich den potenziellen mikro-morphine-mensch in mir trage, begab ich mich sodann ins römische dampfbad. in der therme gibt es zwei davon. in einem riecht es nach minze, in dem anderen nach kamille und anderen beruhigenden heilpflanzen. ich nahm zuerst kamille für die entzündeten nerven, dann minze für die verstopfte nase. ich war die ganze zeit alleine, bis wieder der junge typ aus dem whirlpool aufkreuzte. er setzte sich neben mich und guckte wieder. dann nahm er ein schälchen mit salz und begann, sich damit abzuschrubben. jetzt war ich es, die glotzte. frau sieht ja nicht alle tage einen muskulösen, gebräunten, fettfreien jungs-körper, auf dem weißes salz glitzert. entgegen sonstiger präferenzen für graue schläfen und graue eminenzen war der optische reiz in diesem fall vermutlich ein unbedingter.

"willst du?" fragte der junge schließlich und streckte mir das salz entgegen.
tapfer nahm ich zwei fingerspitzen davon - salz auf unserer haut, was können da bekanntlich nicht für wilde romanzen daraus erwachsen - und verteilte das zeug auf armen, beinen und dekolleté. ich wartete artig. es brannte wie hulle und ich musste an die schlachtung von aalen denken, die ja bekanntlich solange gesalzen werden, bis sie sterben, nämlich mehrere tage lang. (sie dachten vermutlich, das zu-tode-kochen von hummern sei inhuman, aber die sache mit den aalen toppt das um ein vielfaches, glauben sie mir. sehen sie einmal zu, sie essen nie wieder aal.) durch die vorstellung sterbender aale wurde mir etwas schlecht und ich floh würgend auf die toilette.

als es wieder ging, zog ich noch ein paar runden durchs wasser und nahm dann wieder meinen posten im whirlpool ein. schwupps, saß der typ erneut neben mir. ich fasste mir ein herz und lächelte ihn an. er lächelte zurück und stellte sich dann vor. 26, bwl-student, aus einem fischerdorf in swh. niedlich und sehr wohlerzogen.

es wurde ein nettes gespräch. irgendwann schnappten wir uns die umhertreibenden schaumstoffwürste und bauten daraus eine art boot, mit dem wir durch das thermenbecken schipperten. der bademeister beobachtete uns grinsend. möglicherweise hielt er uns für ein frischverliebtes paar, schlimmstenfalls für mutter und sohn.

als wir um kurz nach 22 uhr aus dem becken krochen, erschöpft vom vielen lachen und blödsinn machen, spürte ich eine warme hand am unteren teil meines rückens.
"ich hab schon wen", platzte ich heraus.
"oh", sagte der typ.
"tut mir leid", erwiderte ich.
"macht nichts", sagte der junge.
"ich geh mich jetzt umziehen", meinte ich dann verlegen.
"treffen wir uns am ausgang?" fragte der junge typ.
"okay."

als ich trocken und warm nach unten schlenderte, stand noch niemand am ausgang. da gedachte ich des menschen und des potenziellen mikro-morphine-menschen und flüchtete schnell in die späte nacht.
schließlich musste ich morgen wieder tausend prozent leistung erbringen. und überhaupt, das geht ja nicht so. das alles.

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