Samstag, 4. Februar 2012
freiheit, baby
"die leute brechen reihenweise zusammen, weil sie total fremdbestimmt sein. ich will nie wieder festangestellt wo arbeiten müssen, das ist wie gefängnis!" der geschäftspartner, der mich eben mal freundlich nach berlin eingeladen hat, ist morgens um 11 uhr am telefon schon philosophisch. er hatte auch schon kaffee, im gegensatz zu mir, die ich eine stunde zuvor von der lederjacke aus dem bett geklingelt wurde.

während der geschäftspartner sich um das arbeitsbedingte gesellschaftliche unwohlergehen sorgt und dabei mit mir auf einer linie fährt (besser frei als reich), hatte die lederjacke ganz andere probleme:
"du musst mir helfen, ich hab einen strafbefehl erhalten!"

in einem ersten reflex musste ich kurz lachen, weil ich sofort an den haftbefehl dachte, der vor ziemlich genau einem jahr gegen das objekt lief. die lederjacke war irritiert, also wurde ich gleich wieder ernst:
"warum denn das?!"

es stellte sich heraus, dass sich die lederjacke mittelschwer angeheitert mit der bullerei an der davidswache angelegt hatte. neben ein paar unfreundlichen worten aus dem bereich der fäkalsprache war es demnach wohl auch zu leichten handgreiflichkeiten gekommen, als die lederjacke nach der ausweiskontrolle einen falschen ausweis zurückbekam und das beanstanden wollte.
"jetzt wollen die fast tausend euro von mir! stell dir das mal vor!"
die lederjacke war ganz außer sich.
"und die hast du nicht, oder?"
"naja, es wird schon gehen, man kann das in raten abbezahlen. aber es ist trotzdem voll viel geld! nur, weil ich meinen richtigen ausweis zurückhaben wollte! das ist doch ungerecht!"
"hast du mal einen anwalt gefragt?"
"ja, ein freund von mir ist anwalt, der sagte, ich hätte da gleich am nächsten tag ankriechen und mich entschuldigen sollen."
"dafür ist es jetzt zu spät, hm."
"außerdem entschuldige ich mich doch nicht, nur weil die zu blöd sind, um ihre ausweiskontrollen ordentlich durchzuführen!"

"nunja, es gibt noch eine alternative", sagte ich dann und gedachte dem objekt-fall.
"was denn?"
"lass das zahlungsziel vorübergehen."
"und dann? soll ich hoffen, dass die das vergessen?"
"nee, dann wird der strafbefehl in einen haftbefehl umgewandelt und du kannst die strafe absitzen."
"bist du komplett irre?!"
"naja, ich dachte ja nur. wenn es dir nicht drauf ankommt und du das geld sparen willst... und so lange würden die dich wegen so ner pillepalle-geschichte ja nicht einbuchten."

die lederjacke war von meinem vorschlag nicht begeistert, wollte sich dann aber doch erkundigen, wie lange die haftstrafe in seinem fall dauern würde.
"aber ich will nicht im knast vergewaltigt werden oder so!" gab sie zu bedenken.
"ein freund von mir saß mal in u-haft, der hat das auch überlebt."
"du hast mir vielleicht freunde! was hatte der denn gemacht?"
"überschuldung und drogen."
"drogenhandel?"
"wollten sie ihm anhängen, hat aber nicht funktioniert."
"klingt hart."
"war es auch."

"würdest du mich besuchen, im knast?" fragte die lederjacke dann.
"na klar. ich back dir sogar nen kuchen, ganz klassisch mit feile drin. und dann versuchst du dich in der legendären flucht aus alcatraz. ich schreib anschließend die reportage darüber und verkaufe das groß an die blöd."
"du denkst ja nur an dich!"
"klar. normal."
"irgendwie finde ich das ja befreiend. ich glaube, du bist so eine frau, die kommt besser klar, wenn nicht ständig jemand den großen beschützer spielt, oder?"
"sagen wir mal so: es gab noch nie jemanden, der meinen beschützerischen fähigkeiten das wasser reichen konnte. und inzwischen bin ich zu alt, als dass ich noch darauf warten würde."
"große worte gelassen ausgesprochen, nenn ich das", meinte die lederjacke. "das ist wirklich sehr befreiend. sowohl für dich als auch für andere."
"dann überleg dir das mit dem knast besser doch noch mal, wenn du so auf freiheit stehst."
"okay."
"auf bald."
"auf ganz bald."

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