Sonntag, 2. Mai 2010
krawall und remmidemmi
wenn man erst einmal in der schanze ist, fällt einem gar nicht so auf, was sich von außen so zusammenbraut. heute nachmittag gegen fünf noch gespenstische stille, grüppchen von anarchoprinzen und -prinzesschen (kinder mit reichen eltern, reihenhaus und garten, die den aufstand proben (= ich gleich mich klamottentechnisch meiner peergroup an), aber noch nichts geschnallt haben), hunde. die psychologin und ich sitzen im café und reden über verhängnisvolle verhältnisse mit verheirateten männern und das komplizierte erwachsenwerden, dessen ende unsere eltern jeden moment erwarten ("kind, wann machst du denn nun mal karriere?!"). was die männer betrifft, einigen wir uns rasch auf ein paar gemeinsame nenner:
1. scheiße, wenn er kinder hat. vaddis kehren immer zu den muddis zurück.
2. beim schlussmachen schicken sie einem noch einmal einen rehabilitativen brief, mit dem sie ihr schlechtes gewissen beruhigen.
3. wenn er morgen mit einem blumenstrauß vor meiner tür stünde, würde ich wahrscheinlich trotzdem immer noch "ja" jauchzen. scheiß pheromone!

um halb acht uhr, als man uns das heiße wasser mit der frischen minze bringt, mahnt uns die kellnerin (ehemalige dressurreiterin in sehr schicker bluse aus sehr besuchenswertem second-hand-laden): "wir schließen in einer halben stunde!" letzte nacht sei schlimm gewesen, erfahren wir. als wir 25 minuten später zahlen wollen, hat sie es offenbar nicht mehr so eilig. sie schwatzt noch mit dem chef, während wir die münzen schon ungeduldig auf dem tisch herumschieben. wir spüren ein nervöses kribbeln in den haarspitzen. in der ferne das blinken von blaulichtern. als wir das schulterblatt entlang laufen, geraten wir in horden schwarz gekleideter potenzieller gegenstände-demolierer, die uns streitlustig anschauen. "keine angst, wenn du nicht dumm schaust, kriegst du auch nicht in die fresse!" sage ich. ich selbst allerdings bin froh, dass ich mein fahrrad noch aus der unheilvoll dreinschauenden versammlung vor der haspa ziehen konnte. jedes kind weiß, dass die haspa das rote tuch des schwarzen blocks ist, doch ich musste natürlich mein rad davor parken. aber ich liebe ja das adrenalin.
die psychologin ist ein bisschen beunruhigt, vor allem, als ein knaller losgeht. wir trippeln die endlosen polizeiwagenreihe, die die straße absperrt, entlang. inzwischen türmt auch der himmel rauchschwarze wolken auf, so, als würde es da droben bei der heiligkeit brennen. passend zur stimmung regnet es. irgendwie kommen wir aus dem auflauf heraus und bis zum schlump und verabschieden uns.
es bleibt spannend. heute nacht sehen wir dann weiter. es liegt etwas in der luft.

6:32 uhr. in altona war alles friedlich. und hey, im stammclub sogar mal wieder einen mann gesehen, der mir gefallen hätte. er erinnerte mich ein klitzekleines bisschen an jarvis cocker. wir spielten dann das übliche spiel. erst guckte er, dann guckte ich, dann allerdings guckten wir weg. naja, so wird das nichts. schüchternheit kann man gegenseitig steigern und dann endet alles in der totalen verunsicherung.

ein anderer beobachtete mich und wagte es dann zum rausschmeißersong, mich anzusprechen. "ich hatte ziemlich bedenken, was zu sagen, denn ich dachte, du bist so jemand, der sich für sich allein einfach nur abschießen will", meinte der, als wir dann in einer ecke saßen und die üblichen abcheck-daten austauschten. hm. wie komme ich eigentlich rüber? wie eine alkoholkranke soziophobikerin? zu meiner verteidigung: ich hatte einen einzigen drink und war zum zeitpunkt des ansprechens auch schon wieder stocknüchtern.

als wir da so saßen und mir mein neuer verehrer eine zigarette drehte, tauchte plötzlich jarvis cocker wieder auf und schaute ein bisschen dumm. tja mein lieber, da war ein anderer schneller.

bevor die lichter angingen, flitzte die lokalprominenz mr. spilles (sofern ich mich jetzt nicht verguckt habe, müsste er es gewesen sein) herein und suchte wild in einem schwarzen stoffhaufen wühlend seine jacke.
"welche davon ist denn deine?", fragte er mich verzweifelt und hielt mir drei jacken vor die nase.
"keine", sagte ich, da ich meine jacke ordnungsgemäß an der garderobe abgegeben hatte. manche haben probleme, also ehrlich.
ein halbe stunde später radelte ich nach hause, diesmal ohne polizeikontrolle. denn die hatten diese nacht sicher besseres zu tun.

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positive schleifpunkt-vibrations
die tatsache, dass ich immer noch keinen führerschein habe, liegt unter anderem darin begründet, dass ich als großstadtkind ein auto nicht wirklich brauche und es mir ohnehin nicht leisten kann. sie ist jedoch auch ein wenig den suggestionen meiner frau mama geschuldet("kind, wir frauen haben kein gefühl fürs autofahren, ich hatte auch immer den eindruck, das fahrzeug hat die kontrolle über mich und nicht andersherum!") sowie meinem ersten desaströsen erlebnis hinter dem steuer ("oh gott, mein armes auto!"). doch wer stark durchs leben gehen will, muss auch den bedrohlichsten stier bei den hörnern packen, im idealfall mit der richtigen unterstützung. so gelang es mir nun endlich, das schwere trauma zu beseitigen, das seit meinem ersen fahrversuch auf mir lastete. mit dem heutigen tag lernte ich kurven fahren, die richtung wechseln, mit etwas glück im zweiten gang anfahren und vorwärts einparken (wenn kein anderes auto in meiner nähe und die parklücke so lang ist, dass ich etwa 30 zentimeter vor dem bordstein zum stehen kommen kann). dabei festgestellt: große, neue autos sind totaler mist. man muss doch fühlen, dass man da was lenkt, herrgottnochmal-kruzifixsacklzement. und siehe, nach etwa einer halben stunde gesetzeslosen, alle verkehrsanweisungen missachtenden kreisens auf dem parkplatz begann mir das autofahren tatsächlich spaß zu machen. mein sachkundiger fahrlehrer verhielt sich bemerkenswert ruhig, was aber auch am valium gelegen haben könnte, welches er sich zuvor eingeschmissen hatte, wie er später gestand.
anschließend sitzung zu dritt mit der netten psychologin. selbstkonzepte und die (männer)welt diskutiert, einen gekippt und hinterher auf dem fahrrad nach hause geschwankt. den lappen wegnehmen kann mir ja schließlich noch keiner.

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